Politik

Demjanjuk "zwangsdeportiert" Vorwürfe gegen deutsche Justiz

Im Münchner Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher John Demjanjuk fordert die Verteidigung eine Einstellung des Verfahrens. Sein Mandant sei trotz einer tödlichen Erkrankung zwangsweise nach Deutschland gebracht worden, sagt Verteidiger Ulrich Busch am zweiten Prozesstag.

Demjanjuk am ersten Prozesstag im Landgericht in München.

Demjanjuk am ersten Prozesstag im Landgericht in München.

(Foto: dpa)

Mit dieser "Zwangsdeportation aus den USA" habe sich die deutsche Justiz auf illegale Weise des Angeklagten bemächtigt. Demjanjuk war im Mai nach monatelangem juristischen Tauziehen aus den USA abgeschoben worden. Der 89 Jahre alte gebürtige Ukrainer soll im Zweiten Weltkrieg an der Ermordung von 27.900 Juden mitgewirkt haben.

Die medizinischen Gutachter hatten am Montag dagegen eine tödliche Erkrankung von Demjanjuk verneint und ihn unter gewissen Einschränkungen für verhandlungsfähig erklärt. Nach Aussagen eines Mediziners handelt es sich bei seiner Knochenmarkserkrankung noch nicht um eine Krebserkrankung, sondern allenfalls um eine Vorstufe dazu. Allerdings haben die Ärzte festgelegt, dass wegen der angeschlagenen Gesundheit des Angeklagten pro Tag nicht länger als zweimal 90 Minuten verhandelt werden darf. Demjanjuk leidet laut ärztlichem Gutachten auch an Gicht, Herzschwäche und Bluthochdruck.

Zweifel an Echtheit der Dokumente

Demjanjuk soll 1943 als Wachmann im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen der SS geholfen haben, die 27.900 größtenteils aus den Niederlanden stammenden Juden in die Gaskammern zu treiben. Hauptbeweismittel ist ein SS-Dienstausweis mit der Nummer 1393. "Abkommandiert am 27.3.43 Sobibor" ist darauf notiert. Die Verteidigung bezweifelt die Echtheit des Dokuments. Da Demjanjuk bisher zu den Vorwürfen schweigt, wird ein langwieriger Indizienprozess erwartet.

Ordner mit Unterlagen zum Prozess gegen Demjanjuk in einem Gerichtssaal des Landgerichts in München.

Ordner mit Unterlagen zum Prozess gegen Demjanjuk in einem Gerichtssaal des Landgerichts in München.

(Foto: AP)

Verteidiger Busch hält eine Einstellung des Verfahrens auch deshalb für nötig, weil nach seiner Darstellung die Vorwürfe der jetzigen Anklage auch schon im Demjanjuk-Prozess von 1988 in Israel eine Rolle gespielt hätten. Damit sei nach rechtsstaatlichen Grundsätzen die Strafanklage verbraucht, niemand dürfe im gleichen Fall zweimal angeklagt werden. 1988 war Demjanjuk in Israel als "Iwan der Schreckliche" vom Vernichtungslager Treblinka zum Tode verurteilt worden. Fünf Jahre saß er in der Todeszelle, bis 1993 das Urteil aufgehoben wurde - es stellte sich heraus, dass er verwechselt worden war. Nach insgesamt siebenjähriger Haft kehrte er in die USA zurück.

Verteidiger will Akten aus Ausland beziehen

Hilfsweise beantragte Busch eine Aussetzung des Münchner Prozesses, um sämtliche Ermittlungsakten aus Russland, der Ukraine, den USA und Israel beiziehen zu können. Der Anwalt begründete seine Anträge auch damit, dass sein Mandant kein deutscher Amtsträger gewesen sei - deshalb gebe es "keinerlei Zuständigkeit und keinerlei deutsche Strafgewalt". Das Gericht stellte die Entscheidung über die Anträge zurück, damit endlich mit der Verlesung der 86 Seiten dicken Anklageschrift begonnen werden konnte. Demjanjuk selbst äußerte sich noch nicht.

Quelle: ntv.de, dpa

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