"Jammer-Jüttner" chancenlos "Wackel-Wulff" oben auf
21.01.2008, 08:16 UhrLustlos und träge plätschert der Wahlkampf vor sich hin. Es scheint, als habe Niedersachsens Opposition angesichts kontinuierlich guter Umfragewerte für Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und seine schwarz-gelbe Koalition schon Wochen vor der Entscheidung am 27. Januar das Handtuch geworfen. Zwar wird SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner nicht müde, die Zuverlässigkeit der Prognosen in Zweifel zu ziehen und auf die Mobilisierung der Wähler in letzter Sekunde zu setzen. Doch anders als in Hessen, wo Ministerpräsident Roland Koch (CDU) in der Wählergunst immer weiter verliert und ein Regierungswechsel möglich scheint, wirken die Verhältnisse in Niedersachsen wie zementiert.
Schwarz-gelb eingetütet
Stimmenverluste drohen nach der jüngsten ARD-Umfrage zwar auch der niedersächsischen CDU, doch mit prognostizierten 51 Prozent scheint die schwarz-gelbe Mehrheit an der Leine auch für die kommende Wahlperiode gesichert zu sein. Die rot-grüne Opposition liegt satte zehn Punkte zurück. Für Überraschung könnte allenfalls die Linke sorgen, der die Meinungsforscher wenige Tage vor der Wahl mit fünf Prozent erstmals den Einzug in den Landtag voraussagen. Anders als in Wiesbaden aber würde in Hannover selbst eine rot-rot-grüne Koalition den Prognosen nach keine Mehrheit zustandebringen. Eine Zusammenarbeit hatte Jüttner zudem vehement ausgeschlossen.
Während der von Koch entfachte Streit um schärfere Jugendstrafen seit Wochen die Schlagzeilen beherrscht, präsentiert sich Wulff mit landesväterlicher Gelassenheit: ruhig, besonnen, kompromissbereit - aus Sicht der Opposition jedoch auch ohne Profil. Es scheint, als wollten die CDU-Wahlkampfstrategen jede Polarisierung vermeiden. Wulff versuche den Eindruck zu erwecken, er könne es allen recht machen, empört sich Niedersachsens Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. "Das personifizierte Null-zu-Null", urteilt SPD-Parteichef Kurt Beck. Seine Kehrtwende beim Rauchverbot hatte dem CDU-Vize in SPD-Kreisen auch den Spitznamen "Wackel-Wulff" eingebracht. "Jammer- Jüttner", kontert der Ministerpräsident. "Wir müssen nicht jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf treiben", sagt ein CDU-Parteisprecher. Die schwarz-gelbe Bilanz spreche für sich.
Eigentor für Niedersachsens SPD
So sehr es dem niedersächsischen Wahlkampf an inhaltlicher Brisanz mangelt, so hoch schlugen die Wellen, als Jüttner nebst Gattin in einem Interview unlängst das Privatleben des Amtsinhabers aufs Korn nahm. Nach 25 gemeinsamen Jahren hatte Wulff sich Mitte 2006 von seiner Ehefrau getrennt und die neue Lebensgefährtin schon bald darauf in der Öffentlichkeit präsentiert. Das gemeinsame Baby soll im Sommer zur Welt kommen. Neun Jahre zuvor hatte Wulff das Liebesleben seines Amtsvorgängers und heutigen Ex-Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) öffentlich kritisiert, nachdem der sich gerade von Ehefrau Hiltrud getrennt hatte. "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen", sagt Jüttner nun. Wulff müsse "vor der eigenen Haustür kehren".
"Schmutzkampagne" empören sich die Getreuen des Regierungschefs, das Interview des Herausforderers sei eine Verzweiflungstat. "Jüttner ist am Ende", sagt CDU-Generalsekretär Ulf Thiele. Dass der 59 Jahre alte SPD-Spitzenkandidat einen strategischen Fehler gemacht haben könnte, ahnt indes nicht nur der politische Gegner. Mit seinem persönlichen Angriff auf den medienwirksamen und bundesweit populären Amtsinhaber habe Jüttner wohl "ein Eigentor geschossen", vermutet der hannoversche Kommunikationsprofessor Helmut Scherer. Denn seine Kritik ziele auf eine eher konservative Klientel, bei der er ohnehin nichts gewinnen könne.
Von Michael Kirner, dpa
Quelle: ntv.de