EU-Länder stimmen national ab Wähler verteilen Denkzettel
07.06.2009, 21:51 UhrDie EU wählt, doch die Wähler stimmen vor allem über ihre nationalen Regierungen ab. Das sind die ersten Erkenntnisse zur Europwahl, deren Ergebnisse am Abend bekanntgegeben werden.
Bei den Europawahlen haben Euroskeptiker Erfolge gefeiert und Regierungsparteien in mehreren Ländern herbe Niederlagen erlitten. Darauf deuteten erste Wahlumfragen und Prognosen hin. In einigen Ländern bahnte sich ein Rechtsruck an. Die offiziellen Wahlergebnisse werden erst am späten Abend veröffentlicht.
In Österreich konnten laut Hochrechnungen die Rechtspopulisten ihr Ergebnis mehr als verdoppeln. In den Niederlanden ging die rechtsextreme Freiheitspartei des Islamkritikers Geert Wilders nach vorläufigen Berechnungen als zweitstärkste Partei aus der Wahl hervor. Mit vier Sitzen wird sie voraussichtlich nur ein Mandat weniger als die regierenden Christdemokraten im Parlament besetzen. "Es sieht nicht so aus, als ob die Wahlen ein Triumph oder großer Moment für die Demokratie in Europa sein werden", sagte der EU-Experte Thomas Klau.
Kleine Parteien legen zu
Unter dem Strich wurde zwar damit gerechnet, dass die Parteien der Mitte weiterhin am stärksten im Europaparlament vertreten sein dürften. Dennoch mussten gerade die großen Parteien in vielen Ländern teils schwere Einbußen hinnehmen. In Österreich mussten die Sozialdemokraten von Bundeskanzler Werner Faymann den ersten Platz an die konservative Volkspartei (ÖVP) abgeben. Die SPÖ erlitt eine schwere Schlappe und fuhren mit 23,8 Prozent (-9,5 Prozent) das schlechteste Ergebnis bei einer Wahl auf nationaler Ebene seit 1945 ein. Nach dem am frühen Abend bekanntgegebenen vorläufigen amtlichen Ergebnis verloren auch die pro-europäischen Grünen deutlich. Überraschend hohe Zugewinne gab es dagegen für die Liste des EU-Rebellen Hans-Peter Martin.
Dänischer Rechtsruck
In Dänemark ging die rechtspopulistische DVP als Sieger aus den Europawahlen hervor. Sie steigerte ihren Stimmenanteil nach einer Prognose des Fernsehens von 6,8 auf 15,1 Prozent. Sie fungiert seit 2001 als Mehrheitsbeschafferin für die bürgerliche Minderheitsregierung in Kopenhagen und gilt als treibende Kraft hinter der betont harten dänischen Ausländerpolitik.
Einer der wenigen Regierungschefs mit Gewinnen ist Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Wegen der Wirtschaftskrise hatte er noch erheblich an Popularität einbüßen müssen. Doch seine konservative UMP siegte laut Wahlnachfragen klar vor den Sozialisten. Die UMP kam nach ersten Prognosen auf 28,4 Prozent der Stimmen. Für die sozialistische PS, die Schwesterpartei der deutschen SPD, stimmten nur 16,8 Prozent, wie der Fernsehsender TF1 berichtete. Drittstärkste Kraft in Frankreich wurde überraschend ein grünes Bündnis.
Brown muss bangen
Die Wähler straften vielen Regierungen vor allem wegen ihres Umgangs mit der Wirtschaftskrise ab. Aber auch innenpolitische Skandale wie etwa die Affäre um Spesenabrechnungen in Großbritannien sorgten dafür, dass die Bürger ihren Regierungen den Rücken zukehrten oder gar nicht erst an die Urnen gingen. So mussten Premierminister Gordon Brown und seine Labour-Partei mit einer schweren Wahlschlappe rechnen. Damit dürfte der Druck auf den Regierungschef zunehmen, seinen Posten zu räumen.
Schwer angezählt ging auch Irlands Ministerpräsident Brian Cowen in die Wahl. Wählerbefragungen ergaben, dass seine Fianna Fail wohl einen ihrer vier Sitze an eine Partei abgeben musste, die den EU-Reformvertrag von Lissabon ablehnt. Dieser hängt ohnehin auch deshalb noch in der Schwebe, weil er bei einer Volksabstimmung in Irland durchgefallen war. Im Herbst soll der Reformvertrag in Irland erneut zur Abstimmung gestellt werden.
In Ungarn gewann der oppositionelle national-konservative Bund Junger Demokraten (FIDESZ) nach Prognosen mindestens viermal so viele Mandate wie die regierende Ungarische Sozialistische Partei (MSZP). Als einzige weitere Partei soll außerdem die rechtsextreme Jobbik (Die Besseren) die Fünfprozent-Hürde übersprungen haben.
Rumänien und Bulgarien
In Rumänien legte die Partei Romania Mare (PRM) des Ultranationalisten Corneliu Vadim Tudor laut Prognosen stark zu gelegt und erzielte rund sieben Prozent der Stimmen.
In Bulgarien gewann laut Prognosen die oppositionelle bürgerliche GERB-Partei des Bürgermeisters von Sofia, Bojko Borissow, mit 26,5 Prozent. Auch Vertreter der EU-feindlichen nationalistischen Ataka- Partei dürften wieder im EU-Parlament sitzen.
In Slowenien gewann die oppositionelle SDS-Partei des früheren Regierungschefs Janez Jansa. In der Slowakei punktete die Regierungspartei Smer-Sozialdemokratie von Ministerpräsident Robert Fico.
Juncker gewinnt in Luxemburg
Luxemburg wählte am Sonntag zugleich ein neues Parlament. Das Land wird auch in Zukunft von Premierminister Jean-Claude Juncker (54) regiert. Seine Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) war der eindeutige Gewinner der Abstimmung.
Malta: Opposition siegessicher
In Malta, das als kleinstes EU-Mitglied fünf Abgeordnete stellt, erklärte sich die oppositionelle sozialistische Arbeiterpartei zum Wahlsieger. Und auch in Griechenland deutete eine erste Erhebung auf einen Sieg der oppositionellen Sozialisten hin.
Insgesamt waren zwischen Donnerstag und Sonntag mehr als 375 Millionen EU-Bürger aufgerufen, über die künftige Zusammensetzung des Europaparlaments zu entscheiden. Es zeichnete sich eine geringe Beteiligung ab.
Quelle: ntv.de, rts/dpa