Dutzende Tote in Schudschaijja Waffenruhe in Gaza schon wieder gebrochen
20.07.2014, 13:53 Uhr
Ein israelischer Luftangriff auf Ziele im Gazastreifen.
(Foto: dpa)
Es sollte eine kleine Atempause sein, eine Geste aus humanitären Gründen. Doch nachdem eine von Israel angebotene zweistündige Feuerpause von der Hamas in Gaza gebrochen worden ist, geht der gegenseitige Dauerbeschuss weiter.
Eine humanitäre Feuerpause zwischen Isra el und der radikal-islamischen Hamas zur Bergung der Toten in der Stadt Gaza ist nach einer knappen Stunde zusammengebrochen. Hamas-Kämpfer hätten das Feuer auf israelische Soldaten eröffnet, sagte eine Armeesprecherin. Daraufhin habe das Militär den Beschuss erwidert.
Nach heftigen Angriffen auf den Gazastreifen mit vielen Toten hatte Israel die Feuerpause für den besonders betroffenen Stadtteil Schudschaijja verkündet. Die humanitäre Waffenruhe sollte dazu genutzt werden, um die Toten von den Straßen zu bergen. Nun wird aber offenbar wieder geschossen.
Zuvor hatte sich die radikalislamische Hamas ebenfalls zu einer befristeten Waffenruhe bereiterklärt. Ein entsprechender Vorschlag des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sei von der Hamas akzeptiert worden, erklärte ein Sprecher der Palästinenserorganisation.
Der palästinensische Sender Al-Aksa veröffentlichte Bilder, die die Zerstörung in Schudschaijja zeigen sollen. Darauf sind mehrere Leichen zu sehen, die in den Straßen liegen. Nach Angaben palästinensischer Rettungskräfte sind unter den Opfern auch ein palästinensischer Kameramann und ein Rettungssanitäter. Bei dem getöteten Journalisten soll es sich um Chaled Hamad handeln. Twitter-Fotos zeigten ihn in einer blutverschmierten Schutzweste mit der Aufschrift "Press".
Tunneleingänge auch in Schudschaijja entdeckt
Die israelische Armee gab indes bekannt, dass ihre Soldaten in Schudschaijja zehn Tunneleingänge gefunden hätten. Seit Beginn der Bodenoffensive am Donnerstagabend sind nach palästinensischen Angaben mehr als 100 Menschen getötet worden. Rund 400 Menschen wurden bei den jüngsten Angriffen verletzt. Viele Verletzte waren bei den Kämpfen eingekesselt worden.
Augenzeugen berichteten von dramatischen Szenen in hoffnungslos überfüllten Krankenhäusern im Gazastreifen. Palästinensische Ärzte beklagen einen Mangel an Medikamenten und Ausrüstung bei der Behandlung der vielen Opfer. Die israelische Armee teilte mit, sie errichte ein Feldlager nahe der Grenze zum Gazastreifen. Dort sollen verletzte Palästinenser behandelt werden.
Die israelische Armee hatte zuvor ihre Bodenoffensive im Gazastreifen ausgeweitet. Wie das Militär mitteilte, beteiligten sich zusätzliche Kräfte daran, den "Terror im Gazastreifen zu bekämpfen". Nach israelischen Medienangaben setzten die Streitkräfte eine große Zahl von Bodentruppen im Gazastreifen ein. Die Korrespondentin des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira berichtet aus dem Gazastreifen, Israel habe den Beschuss aus Panzerkanonen verstärkt.
Tunnel im Visier
Auch zwei israelische Soldaten starben bei den Kämpfen. Bislang wurden in dem Konflikt mehr als 350 Palästinenser und sieben Israelis getötet.
Ziel der Offensive ist unter anderem die Zerstörung der unterirdischen Tunnel im Gazastreifen. Bei Israels Suche nach Tunneleingängen leiste die Hamas allerdings heftigen Widerstand, so Militärsprecher Peter Lerner. Es gebe schwere Gefechte mit militanten Palästinensern an verschiedenen Orten. "Einige dieser Tunnel sind eigentlich Bunker", sagte Lerner. Es seien dort auch viele Waffen gelagert worden. Noch immer verfüge die Hamas über etwa 5000 Raketen verschiedener Reichweite.
Ban versucht zu vermitteln
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon beginnt an diesem Sonntag seine Vermittlungsbemühungen im Konflikt zwischen Israel und der Hamas in der katarischen Hauptstadt Doha. Danach will Ban nach Kuwait, Kairo, Jerusalem, Ramallah im Westjordanland und in die jordanische Hauptstadt Amman fahren. Ziel der Reise ist es, Israelis und Palästinensern zu helfen, die Gewalt zu beenden. Ebenfalls in Katar trifft Palästinenserpräsident Mahmud Abbas an diesem Sonntag Hamas-Exil-Chef Chaled Meschaal zu Beratungen über eine Feuerpause im Konflikt mit Israel.
Für die Zivilbevölkerung in Gaza wird die humanitäre Lage indes immer unerträglicher. Zur permanenten Todes- und Verletzungsgefahr kommen langanhaltende Stromausfälle und der Zusammenbruch der Wasserversorgung. Immer mehr Menschen fliehen vor den israelischen Angriffen. 61.500 Palästinenser suchten in den Schulen des Flüchtlingshilfswerks UNRWA Schutz - mehr als beim letzten großen bewaffneten Konflikt in Gaza um die Jahreswende 2008/09.
Der Sprecher der palästinensischen Rettungsdienste, Aschraf al-Kidra, sagte, seit Beginn der israelischen Bodenoffensive seien mehr als 100 Palästinenser getötet worden. Israels Armee berichtet von mindestens 70 "Terroristen", die seitdem getötet worden seien. Die Bodenoffensive hatte in der Nacht zum Freitag begonnen und wird von den israelischen Streitkräften mit schwerem Raketenbeschuss unterstützt.
Auslöser der jüngsten Eskalation der Gewalt waren die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen. Eine 2012 vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, wurde daraufhin endgültig Makulatur.
Am 8. Juli griff Israel erstmals wieder Stellungen der Hamas im Gazastreifen an. Ziel der nachfolgenden Bodenoffensive sei es vor allem, das verzweigte Tunnelsystem der Hamas inner- und außerhalb des Gazastreifens zu zerstören, hieß es. Auch der Beschuss Israels durch Raketen der Militanten soll gestoppt werden. Seitdem wurde Israel laut Armeeangaben mit mehr als 1770 Raketen aus dem Gazastreifen beschossen. Davon seien 360 von Raketenabwehrsystemen abgefangen worden.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP