Huber als "billiger Jacob" Wahlkampfmanöver der CSU
04.05.2008, 15:30 UhrDie Kritik an den Steuersenkungsversprechen der CSU reißt nicht ab. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) erklärte, die Unionspartei verspreche den Menschen diese "Reform" nur, um ihre schlechten Umfragewerte zu verbessern. Die öffentlichen Haushalte ließen das Vorhaben nicht zu, sagte der Vize-SPD-Chef der "Süddeutschen Zeitung". So gut gefüllt seien nicht einmal die bayerischen Kassen, um solche Zusatzlasten verkraften zu können. Steinbrück rief die CSU dazu auf, zum Konsolidierungskurs von SPD und CDU zurückzukehren.
Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) warnte die CSU vor vorschnellen Versprechen in der Steuerpolitik. Er sagte der "SZ": "Erst muss der Weg aus der Schuldenfalle unumkehrbar erreicht sein, dann kann man über Programme zur Steuersenkung reden." Dies gelte für Bund, Länder, und Gemeinden gleichermaßen. Deshalb wende er sich gegen ein "fixes Datum", zu dem man jetzt schon Steuersenkungen verspreche. Oettinger, der Ko-Vorsitzender der für Finanzfragen wichtigen Föderalismuskommission II ist, verlangte: "Erst muss die Kommission zu einem guten Ende geführt werden, dann kann man Steuersenkungen realisieren."
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Fritz Kuhn, erklärte: "Wie verzweifelt muss die CSU sein, wenn sich allen voran Parteichef Erwin Huber nun als billiger Jakob versucht." Er posaune populäre Wahlversprechen hinaus und gebe mal eben wichtige Ziele wie Schuldenabbau und Bildungsinvestitionen auf. "Je schlechter die Umfragewerte der CSU, desto höher werden die Steuersenkungsversprechen Hubers."
Berlin winkt ab
Steinbrück und Kuhn reagierten auf den CSU-Plan, die Steuern in drei Stufen um 28 Milliarden Euro zu senken und zur Finanzierung lediglich auf "künftige konjunkturbedingte Steuermehreinnahmen" zu setzen. Die CSU will trotz massiven Widerstandes in der Koalition und scharfer Kritik der Opposition ein milliardenschweres Steuersenkungspaket schnüren. Bürger und mittelständische Unternehmen sollen von 2009 an in drei Stufen um 28 Milliarden Euro entlastet werden. Das Konzept enthält keine konkrete Gegenfinanzierung durch Ausgabenkürzungen. Der CSU-Vorstand will es an diesem Montag in München beschließen, obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Steuersenkungen wegen der schwierigen Haushaltslage für das kommende Jahr ablehnt. Von einem Scheitern dieser Pläne zumindest in der Stufe 2009 sei auszugehen, hieß es nach Informationen der dpa in Kreisen der großen Koalition in Berlin.
Von "Wählertäuschung" sprachen SPD und Grüne. Scharfe Kritik kam von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), der FDP und den Linken. Für die CDU erinnerte Fraktionsvize Michael Meister die CSU an den Vorrang der Sanierung der öffentlichen Haushalte, den "Verzicht auf neue Schulden und die Festlegung, dass wir auch dauerhaft keine neuen strukturellen Schulden machen wollen". Da die Steuerreformpläne erst 2009 starten sollen, berühren sie neben der Landtagswahl in Bayern im September auch den Bundestagswahlkampf 2009. Dafür hatte Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) kürzlich ein gemeinsames Steuerkonzept von CDU und CSU angekündigt.
Steinbrück rief die CSU dazu auf, wieder zum Konsolidierungskurs von SPD und CDU zurückzukehren. Die Partei wisse ganz genau, dass die öffentlichen Haushalte eine Umsetzung der Pläne nicht zuließen, sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Die CSU verspricht den Menschen diese Reform nur, um ihre schlechten Umfragewerte zu verbessern." Nicht einmal die bayerischen Kassen seien so gefüllt, um das bezahlen zu können.
Beckstein und Huber lassen nicht locker
Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) und sein Finanzminister, CSU-Chef Erwin Huber, verteidigten die Pläne als notwendige Entlastung insbesondere kleiner und mittlerer Einkommen. Danach sollen in einer ersten Stufe 2009 Familien und Berufspendler um fünf Milliarden Euro entlastet werden. Der Grundfreibetrag, der derzeit bei 7664 Euro für Erwachsene und 5808 Euro für eheliche Kinder liegt, soll auf 8000 Euro erhöht und vereinheitlicht werden. Eine vierköpfige Familie bräuchte damit erst ab einem Einkommen von 32 000 Euro Steuern zahlen. Derzeit liegt die Steuerfreigrenze bei 27.000 Euro.
Mit den Stufen 2010 und 2012 soll der Mindeststeuersatz von 15 auf 12 Prozent gesenkt werden. Zugleich soll der Tarifverlauf der Einkommensteuer laut Huber insgesamt flacher werden. Der Spitzensteuersatz von derzeit 42 Prozent soll nach dem CSU-Konzept zwar beibehalten werden, aber zugunsten der Mittelschichten künftig erst ab 60.000 Euro für Alleinstehende fällig werden und nicht schon ab rund 52 100 Euro. SPD und CDU wollen bei der Pendlerpauschale zunächst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten, während die CSU hier bereits die volle Gewährung vom ersten Kilometer an verspricht.
Steuerschätzer sehen Mindereinnahmen
Auskunft über Steuersenkungs-Spielräume soll die am Dienstag in Meißen startende Mai-Steuerschätzung von Bund und Ländern geben. Nach einem Bericht des "Handelsblatts" rechnet das Bundesfinanzministerium wegen der abflauenden Konjunktur mit Mindereinnahmen von rund zwei Milliarden Euro für Bund, Länder und Gemeinden im laufenden Jahr.
Einwände, die Reform sei nicht finanzierbar, wiesen Huber ("Focus") und Ramsauer (Deutschlandfunk) zurück. "Der Gesamtstaat nimmt im Jahr 2012, wenn die letzte Stufe unsere Konzepts in Kraft tritt, an die 100 Milliarden Euro mehr Steuern ein als in diesem Jahr", sagte Huber. "Davon soll die öffentliche Hand immer noch 70 Milliarden behalten, aber 28 Milliarden soll der Bürger behalten. Es kommt also nicht zu einem Rückgang der Einnahmen, sie steigen nur langsamer."
"Durchsichtiges Wahlkampfmanöver"
Die Vize-Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß und Karl-Ludwig Stiegler, warfen der CSU "Wählertäuschung" vor. Für die FDP erklärte Generalsekretär Dirk Niebel im "Kölner Stadt- Anzeiger": "Die CSU redet von Steuerentlastungen sobald wie möglich und meint: später, weil sie jetzt nichts durchsetzen kann." Der Vorsitzende der Linken, Oskar Lafontaine, sprach von einem "durchsichtigen Wahlkampfmanöver". Die CSU habe entsprechende Anträge der Linksfraktion im Bundestag abgelehnt. Wegen der lahmen Konjunktur forderte Lafontaine allerdings bereits jetzt Steuersenkungen.
Freie Wähler bieten Koalition an
Der Vorsitzende der Freien Wähler in Bayern, Hubert Aiwanger, wittert bereits Morgenluft und stellt erste Bedingungen für eine eventuelle Koalition mit der CSU nach der Landtagswahl. "Wir wollen die Politik mitgestalten und wollen nicht mit ein oder zwei Ministerposten ruhiggestellt werden", sagte er der "Welt am Sonntag". Er meldete bereits den Anspruch der Freien Wähler auf das Kultusministerium an.
Aiwanger rechnet fest damit, dass seine Gruppierung die Fünf-Prozent-Hürde überspringen wird: "Bei der letzten Landtagswahl hatten wir vier Prozent, und es liegt auf der Hand, dass wir deutlich stärker sind. Sieben bis acht Prozent halte ich momentan durchaus für realistisch."
Huber sieht "50 plus X"
Ministerpräsident Günther Beckstein hofft derweil weiter auf eine Alleinregierung, geht aber auch von deutlichen Verlusten für seine CSU aus. Wahlergebnisses wie zu Zeiten seines Vorgängers Edmund Stoiber seien unrealistisch, sagte Beckstein der "WamS". "Die 60 Prozent, die Stoiber holte, waren ein singuläres Ereignis. Rot-Grün befand sich auf einem Tiefpunkt, die Leute waren stinksauer auf Kanzler Schröder. Heute regieren wir in Berlin mit", erklärte Beckstein. Er sehe aber gute Chancen auf "50 plus X".
Quelle: ntv.de