Brüderle sorgt für Streit Warten auf Philipp Rösler
04.04.2011, 12:30 Uhr
Zur Präsidiumssitzung kam Rösler zu spät, danach verschwand er durch die Garage.
(Foto: REUTERS)
Wirtschaftsminister Brüderle kämpft um seinen Job, Noch-FDP-Chef Westerwelle darf Außenminister bleiben, sein Nachfolger als Parteivorsitzender dürfte Gesundheitsminister Rösler werden. Offiziell liegt sein Hut bislang nicht im Ring. Auf der Präsidiumssitzung wird nicht einmal über Personalien gesprochen. Streit gibt es dennoch.
Die FDP will erst an diesem Dienstag über die neue Führungsspitze entscheiden. Im Präsidium sei über einen Nachfolger des scheidenden Parteichefs Guido Westerwelle "ausdrücklich nicht" gesprochen worden, sagte Generalsekretär Christian Lindner nach einer Sitzung des Gremiums. Lindner zählt selbst zu den möglichen Kandidaten. Erwartet wird allerdings, dass Gesundheitsminister Philipp Rösler antritt.
Juli-Chef Lasse Becker sagte n-tv.de, er könne sich sowohl Rösler als auch Lindner als Parteichef vorstellen. "Beide haben zudem ein sehr gutes Verhältnis untereinander, sodass sie mit Sicherheit intensiv darüber sprechen werden."
Scharfe Kritik äußerte Becker an Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Dieser habe "mit seinen Äußerungen zum Atom-Moratorium erheblichen Schaden angerichtet". Kurz vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hatte der Wirtschaftsminister laut Protokoll vor dem BDI angedeutet, dass der schwarz-gelbe Schwenk in der Atompolitik aus wahltaktischen Gründen erfolgte.
Wortwechsel zwischen Brüderle und Lindner
Berichten zufolge gab es in der Präsidiumssitzung nur einen offenen Disput. "In Deutschland gibt es keinen Bedarf an einer fünften sozialdemokratischen Partei", warnte Brüderle laut Sitzungsteilnehmern. Lindner reagierte schneidend: Er habe die "Glaubenskongregationen" satt, die den Reformern in der Partei immer wieder vorhielten, sie wollten "die FDP grün anpinseln".

Christian Lindner erklärt Rainer Brüderle die Chancen der FDP. Eine Personallösung scheint Brüderle zu blockieren.
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Streit gibt es offenbar auch über Brüderles Posten: Für den Fall, dass er Parteichef wird, soll Rösler das Wirtschaftsressort anstreben. Der Niedersachse war 2009 in seinem Heimatbundesland ein paar Monate Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.
Brüderle hält allerdings an seinem Job fest: Erst am Montag ließ er ausrichten, er übe sein Amt weiterhin "mit Freude und großem Engagement" aus. Zudem machte er mit einem Artikel im "Handelsblatt" deutlich, dass er sich keineswegs zurückziehen wolle. Brüderle wandte sich darin gegen einen radikalen Kursschwenk in der Energiepolitik und ermahnte seine Partei, ihr marktwirtschaftliches Profil zu bewahren.
Brüderle meldet "Gestaltungsanspruch" an
Die Thesen des Ministers seien im Präsidium "einmütig" zur Kenntnis genommen worden, bekundete Lindner auf der anschließenden Pressekonferenz mit deutlicher Zurückhaltung - nicht nur bei den Jungliberalen ist Brüderle durch die Protokoll-Affäre in Ungnade gefallen. Noch vor wenigen Monaten galt der 65-Jährige als möglicher Westerwelle-Nachfolger.
Zu Spekulationen darüber, dass Brüderle das Wirtschaftsressort verlieren könnte, sagte Linder, der Minister habe "seinen weiteren Gestaltungsanspruch" im Präsidium unterstrichen. Lindner widersprach ausdrücklich Berichten, es gebe bereits eine Einigung auf Rösler als künftigen Parteichef. Dies sei Spekulation.
Lindner sagte, er "erwarte", dass am Dienstag Kandidaturen angemeldet werden. Über eine eigene Bewerbung wollte er sich nicht äußern. Am Dienstag kommen die Landeschefs der FDP mit dem Präsidium zusammen. Danach tagen Bundestagsfraktion und Bundesvorstand der Partei gemeinsam.
"Wir wollen anders bleiben"
Eine inhaltliche Neuausrichtung soll es Lindner zufolge nicht geben. Man werde sich keinen "politischen Weichspüler" verordnen, sagte der Generalsekretär. "Die FDP ist anders als die anderen Parteien, und wir wollen auch weiter anders als die anderen Parteien bleiben." Er beschrieb die Ausrichtung der FDP mit den Schlagworten soziale Marktwirtschaft, demokratischen Rechtsstaat und gesellschaftspolitische Liberalität sowie Eigenverantwortung des Einzelnen.
Lindner ist erst 32 Jahre alt und hat noch keinerlei Regierungserfahrung. Rösler, der mehrfach angekündigt hat, im Februar 2018 mit dann 45 aus der Politik auszusteigen, ist 38. Westerwelle, der Ende dieses Jahres 50 wird, hatte am Sonntagabend auf massiven internen Druck nach den jüngsten Wahlschlappen angekündigt, auf dem Parteitag Mitte Mai in Rostock nicht erneut für das Amt des Vorsitzenden anzutreten. Hier das Video seiner Erklärung vom Sonntag.
Westerwelle bleibt Außenminister
Außenminister will Westerwelle bleiben. Das FDP-Präsidium habe dies "einstimmig begrüßt", sagte Lindner. Das Angebot Westerwelles, auch das Amt des Vizekanzlers zur Verfügung zu stellen, gelte nur für den Fall, dass der neue Vorsitzende auch ein Ministeramt bekleide, stellte Lindner klar.
Lindner machte deutlich, dass die künftige FDP-Führung stärker als bislang als Team auftreten wolle. Unter Anspielung auf den Westerwelle-Spruch "Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt's einen, der die Sache regelt" sagte Lindner: "Es geht eben nicht nur um den Steuermann, sondern es geht auf einem Regattaboot auch um den Vorschoter. Nur dann ist man erfolgreich, wenn beide Hand in Hand arbeiten."
Merkel will Kabinett nicht umbilden
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht unterdessen keine Notwendigkeit für eine Kabinettsumbildung. Die Haltung der Kanzlerin in dieser Frage habe sich seit der vergangenen Woche nicht verändert, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Eine Kabinettsumbildung könnte möglich werden, falls in der FDP über eine Neubesetzung von Kabinettsposten entschieden wird.
In der Union geht man davon aus, dass Merkel kaum Probleme mit einem FDP-Chef Rösler haben würde. Vom Naturell her sei er Merkel relativ ähnlich, Rösler sei wenig "lautsprecherisch" und eher abwartend, heißt es. Und im Kabinett habe er bisher keinen schlechten Job gemacht - etwa bei der Gesundheitsreform, die er recht zügig und ohne große Verwerfungen mit der CSU über die Bühne gebracht habe.
Die Personalie Rösler sei wohl eher ein Problem für die FDP, heißt es weiter in der CDU: Der Gesundheitsminister sei schließlich bisher nicht gerade als "Alphatier" aufgetreten. Es müsse sich erst zeigen, ob der 38-Jährige sich gegen "Altvordere" wie Brüderle, aber auch gegen die Kanzlerin oder CSU-Chef Horst Seehofer durchsetzen könne. Und zudem bleibe abzuwarten, ob Generalsekretär Lindner nicht doch noch Fraktionschefin Birgit Homburger ablösen werde - in diesem Fall habe Rösler einen zumindest gleichstarken und mächtigen Mann in der FDP-Fraktion neben sich.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP/rts