Mit Forza Italia zur EVP? Was Meloni mit der Berlusconi-Partei plant


Bei der Beerdigung von Silvio Berlusconi begrüßt Giorgia Meloni Marina Berlusconi, die Tochter des Patriarchen.
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Die Partei Forza Italia ist Berlusconis Erfindung, er war Parteichef bis zu seinem Tod. Sein Nachfolger soll den Laden zusammenhalten - zumindest vorläufig. Denn Ministerpräsidentin Meloni und Berlusconis Tochter haben eigene Pläne.
Antonio Tajani hatte Tränen in den Augen, nachdem er bei der Vorstandsversammlung am vergangenen Samstag in Rom einstimmig zum Nachfolger von Silvio Berlusconi an der Spitze von Forza Italia gewählt worden war. Berlusconi, Gründer und Alleinherrscher in der Partei, hatte bis zu seinem Tod am 12. Juni keinen politischen Nachfolger auserkoren. Tajani, derzeit Vizepremier und Außenminister, war allerdings bereits seit Längerem stellvertretender Parteichef. Seine Nominierung lag also auf der Hand.
Bei seiner Antrittsrede sagte Tajani, es sei nicht leicht, eine "politische Bewegung zu führen, die 30 Jahre lang Berlusconi an der Spitze hatte". Deshalb werde er "nur Vorsitzender" sein. "Präsidenten hat es in Forza Italia nur einen gegeben, Silvio Berlusconi, und das wird für immer so bleiben."
Es könnte sein, dass der 69-jährige Tajani sein Amt nicht lange führen wird. Im Moment liegt Forza Italia in den Umfragen bei 8 Prozent. Deshalb könnten die Rechtspartei Fratelli d'Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sowie die nationalpopulistische Lega von Matteo Salvini, derzeit ebenfalls Vizepremier, auf die Idee kommen, die kümmerlichen Reste der einst mächtigen Berlusconi-Partei unter sich aufzuteilen.
Für die Familie ist die Partei ein Verlustgeschäft
Schon lange vor Berlusconis Ableben stellte sich das politische Italien die Frage, was aus Forza Italia werden soll. Nicht zuletzt, weil die Partei Schulden in Höhe von 100 Millionen Euro bei der Berlusconi-Familie hat. Aus Sicht der Familie lohnte die Investition nicht mehr: Die Wochenzeitung "L'Espresso" berichtete vor ein paar Jahren, Berlusconis Kinder würden den Vater drängen, die Partei endlich aufzugeben.
Jetzt soll aber Forza Italia zumindest bis nach den Europawahlen im nächsten Jahr bestehen. Darauf haben sich Berichten zufolge Meloni und Marina Berlusconi, Berlusconis älteste Tochter, die auch Vorsitzende der Familienholding Fininvest ist, geeinigt. Meloni braucht Tajani als Türöffner in Brüssel, wie die Zeitung "Il Riformista" schreibt. Sie möchte die Weichen stellen für eine zukünftige Zusammenarbeit zwischen der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) und der Europäischen Volkspartei (EVP). In der EKR sind die Fratelli nach der polnischen Regierungspartei PiS die zweitgrößte Gruppe, die EVP ist ein Bündnis europäischer Christdemokraten, EVP-Fraktionschef ist der CSU-Politiker Manfred Weber.
Nach Berichten italienischer Medien stößt die Idee beim konservativen Flügel der EVP auf offene Ohren, unter anderem bei Weber, mit dem Tajani einen engen Austausch pflegt. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die auf eine Wiederwahl hinarbeitet, soll sich interessiert zeigen. In letzter Zeit zeigte sie sich fast schon auffällig oft mit Meloni. Anders als die Fratelli ist Forza Italia Teil der EVP-Fraktion. Für die Kontaktanbahnung zwischen Meloni und der EVP wäre Tajani geeignet wie kein zweiter: Er gehörte dem Europaparlament bis Oktober 2022 an. In Brüssel war er zweimal Kommissar, von 2017 bis 2019 war er Präsident des EU-Parlaments. Insgesamt hat Tajani 29 Jahre in den europäischen Institutionen verbracht.

Giorgia Meloni und Ursula von der Leyen begrüßen sich während des EU-Gipfels Ende Juni.
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"Eine Partei, deren Türen für alle offen sind"
Tajani gilt als bedachter Politiker, was nicht mit Schwäche zu verwechseln ist. Er selbst machte in einem Interview mit der Tageszeitung "Corriere della Sera" deutlich, dass er nicht der Totengräber von Forza Italia sein will und die Partei auch nicht zum kleinen Bruder von Fratelli d'Italia machen möchte. Einige Medien vermuten, dass er die 1994 aufgelösten Christdemokraten wieder ins Leben rufen will. Dazu sagte er: "Es geht hier nicht darum, die Democrazia Cristiana wieder aufzustellen, sondern eine Partei aufzubauen, deren Türen, wie einst die der Democrazia Cristiana, für alle offen sind."
Anders formuliert: Tajani will den Wählern eine Alternative bieten, die sich mit Melonis nationalistischen Visionen oder mit den noch radikaleren Ideen von Lega-Chef Salvini nicht anfreunden können. In jedem Fall unterstützt er Melonis Bestrebungen, engere Beziehungen zur EVP aufzubauen. Salvinis Ambitionen, eine Koalition aus EVP, EKR und der Fraktion "Identität und Demokratie" zu bilden, lehnt Tajani allerdings ab. Zur ID-Fraktion gehören neben der Lega auch die AfD und der französische Rassemblement National. "Die Europäische Volkspartei ist mit Marine Le Pens Rassemblement National und der deutschen AfD absolut inkompatibel", sagt Tajani. Insofern ist es möglicherweise nicht Tajani, der sich als Forza-Chef überflüssig macht, sondern Salvini, der von seinen beiden Koalitionspartnern an die Wand gedrückt wird.
Quelle: ntv.de