"Crashtest" für den Transrapid Wellen schlagen hoch
26.09.2007, 13:13 UhrDer Streit um das Münchner Transrapid-Projekt schlägt weiter hohe Wellen. Die Grünen prüfen ein Volksbegehren gegen den Bau der Magnetschwebebahn und wollen eine breite Front des Widerstands organisieren.
Nach allen Umfragen sei eine klare Mehrheit der Bürger gegen den Transrapid, sagte die Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Margarete Bause, in München. "Die Messe ist noch lange nicht gelesen. Der Widerstand geht jetzt erst richtig los", sagte der Grünen-Wirtschaftsexperte Martin Runge. Die Kostenschätzung von 1,85 Milliarden Euro sei viel zu niedrig.
Sepp Daxenberger, Landesvorsitzender der Grünen in Bayern, sagte, seine Partei werde ein Volksbegehren gegen die Transrapid-Strecke in München prüfen. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern, sagte: "Wir sehen die Situation relativ gelassen und entspannt, weil der Transrapid nie fahren wird hier zwischen München und Flughafen. Und zwar weil er einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten wird."
Nach einer Realisierungsvereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern, der Bahn und der Industrie steht dem Bau des Prestige-Projekts nach Ansicht des scheidenden Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) nichts mehr entgegen. Kritiker halten die Finanzierung jedoch längst nicht für gesichert.
Kosten-Wischiwaschi
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) verlangte unterdessen von der bayerischen Regierung ein geschlossenes Finanzierungskonzept. Ohne ein solches Konzept "kann das Projekt nicht beginnen", sagte Tiefensee. Eine wichtige Frage sei dabei auch, ob die von der Staatsregierung genannten 50 Millionen Euro aus der EU-Kasse zustande kommen werden. Noch gravierender sei aber die Frage, was passiere, wenn 2008 im Planfeststellungsverfahren eine höhere Summe als 1,85 Milliarden Euro attestiert werde. Für diesen Fall habe man vereinbart, "das Design zu verändern, also (...) die Leistung so zu minimieren, dass man an diese Summe kommt". Offen sei aber, ob dies überhaupt möglich sein werde. Die alles entscheidende Frage sei das Kostenrisiko während des Baus.
Der Unions-Haushaltspolitiker Steffen Kampeter geht auf die Bedenken Tiefensees nicht ein und appelliert stattdessen dafür, die Transrapid-Strecke aus dem Parteienstreit herauszuhalten. Er kritisierte, dass die SPD-Minister Tiefensee und Peer Steinbrück von höheren Kosten des Projekts sprachen und unterstellte ihnen parteipolitische Motive. Die Einlassungen der beiden Minister wunderten ihn, denn in ihren Haushaltszahlen sei die Kostengrenze von 1,85 Milliarden Euro ausdrücklich genannt. Gerade das Verhalten von Steinbrück störe ihn. Wie im Falle einer Budget-Überschreitung mit der Kostengrenzen verfahren solle, führte Kampeter indes nicht auf.
Nach Einschätzung von Kritikern würde der Preis für den Münchner Transrapid jedoch deutlich höher liegen. Außerdem verweisen sie darauf, dass die von Bayern eingeplanten EU-Fördermittel von 50 Millionen Euro in Brüssel vermutlich nicht genehmigt würden.
EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot hatte bereits im August vor den "bayerischen Luftschlössern" gewarnt: "Ich halte es für höchst unwahrscheinlich, dass Europa das Transrapid-Projekt aus seinem Haushalt für die Transeuropäischen Verkehrsnetze kofinanzieren wird", sagte der Franzose. An dieser Haltung habe sich seither nichts geändert, bekräftigen seine Mitarbeiter nun.
Rechnung ohne den Wirt gemacht
Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hatte den Widerstand der Landeshauptstadt gegen den von der CSU-Regierung beschlossenen Bau des Transrapid bekräftigt. "Die Stadt wird ihre Rechte sowohl hinsichtlich eines Gesellschafter-Vetos gegen eine Flughafenbeteiligung an den Transrapidkosten wie auch im Planfeststellungsverfahren zu wahren wissen. Wir werden nicht zulassen, dass die Münchner Bevölkerung auf diese Art und Weise überrumpelt wird." Es gebe ein breites Bündnis gegen den Transrapid. "Die politische Auseinandersetzung ist keineswegs beendet, sondern beginnt jetzt erst."
Ude nannte das Verkehrsprojekt ein "Milliardengrab", dessen Finanzierung nicht gesichert sei. So sei beispielsweise auch Hinsichtlich der 100 Millionen Euro vom Münchner Flughafen die Rechnung ohne den Wirt gemacht worden. Denn bei dem für den Flughafen-Ausbau nötigen einstimmigen Gesellschafter-Beschluss habe die Stadt bereits angekündigt, ihr Veto einzulegen.
Stoibers "Rohstoff Geist"
Nach Ansicht des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber wird sich die Transrapid-Strecke positiv auf den technischen Nachwuchs in Deutschland auswirken. "Das ist ein Ergebnis des deutschen 'Rohstoffs Geist'. Er wird viele junge Deutsche wieder für moderne Technologie begeistern", so Stoiber in der "Bild". Es gelte, den "Rohstoff Geist" bei der Jugend zu fördern, damit sie gegen die Besten der Welt mithalten könnten.
Auch der Konzernbetriebsrat von ThyssenKrupp begrüßte das Projekt als "ein effizientes und sinnvolles Beschäftigungsprogramm". "Es gibt andere Programme, für die Milliardensummen ausgegeben werden, die aber nicht nachhaltig sind."
Noch mehr Tunnel
Bei der Planung für Stelzenbahn-Projekt müssen nach Ansicht des CSU-Bundestagsabgeordneten Johannes Singhammer längere Tunnel gebaut werden als bislang gedacht. "Der Transrapid gehört im Stadtgebiet in den Tunnel", verlangte der Abgeordnete, dessen Wahlkreis in München liegt. Nur so könne man die Anwohner entlang der Trasse zur Zustimmung bewegen. Bislang sind nach diesen Angaben für die 37 Kilometer lange Strecke vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen 6,5 Kilometer Tunnel geplant.
Nach Ansicht des Kasseler Verkehrswissenschaftlers Helmut Holzapfel gibt es für den Transrapid keine Marktlücke mehr. Es handele sich um "ein inzwischen relativ altes System" zwischen Auto und Flugzeug, sagte der Professor der "Frankfurter Rundschau". Die Marktlücke, die der Transrapid bei seiner Entwicklung vor mehr als 20 Jahren erschließen sollte, sei "sehr klein geworden oder gar nicht mehr existent, seit selbst in Städten von der Größe Kassels Flughäfen entstehen" und auch das Verkehrssystem Bahn sehr gut funktioniere.
Gute Chancen für den Rechtsweg
Der Bund Naturschutz (BN) in Bayern sieht unterdessen gute Chancen, das Transrapid-Vorhaben auf dem Rechtsweg zu kippen. "Wir haben eine starke Klageposition", sagte BN-Vorsitzender Hubert Weiger. Nach dem Willen der Landesregierung soll der Bau im nächsten Sommer beginnen. Als Termin für die Inbetriebnahme wird das Jahr 2012 genannt.
Zudem verwies der Bund Naturschutz darauf, dass die 37 Kilometer lange Strecke durch das europäische Schutzgebiet Isartal führen soll. Die EU-Naturschutzrichtlinien seien das schärfste Schwert der EU- Umweltpolitik, sagte Weiger. Verfahren in der Vergangenheit hätten gezeigt, dass Klagen gegen Großprojekte, die solche Gebiete durchschneiden, erfolgreich sein können. "Wir bekommen pausenlos empörte Anrufe von Transrapid-Gegnern", sagte der Naturschützer.
Quelle: ntv.de