Politik

50 Maßnahmen bis März Weltfinanzgipfel am Ziel

Inmitten einer der schwersten Wirtschaftskrisen der Geschichte wollen die größten Industrie- und Schwellenländer (G20) in einem beispiellosen Kraftakt alle Überwachungslücken auf den globalen Finanzmärkten schließen. Darauf verständigten sich die 20 Staats- und Regierungschefs beim Weltfinanzgipfel in Washington.

"Wir müssen die Grundlage für eine Reform legen, die bewirkt, dass eine globale Krise wie die jetzige, sich nicht wiederholen kann", heißt es in ihrer Abschlusserklärung. Künftig werden "alle Marktteilnehmer, alle Produkte und alle Märkte wirklich überwacht und reguliert werden", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Merkel und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück bezeichneten die Ergebnisse des Gipfels als "angemessene Antwort" auf die Weltfinanzkrise. Beide zeigten sich zufrieden mit den Ergebnissen des Treffens. "Wir haben wichtige Schritte zu einer globalen Wirtschaftsordnung gemacht." Es sei gelungen, hin zu einer internationalen sozialen Marktwirtschaft zu kommen.

Folgetreffen im März

In der Erklärung werden vor allem Grundsätze für die künftige Weltfinanzarchitektur aufgestellt. Rund 50 konkrete Maßnahmen sollen bis Ende März nächsten Jahres ausgearbeitet werden. Im Anschluss soll es eine Folgekonferenz geben, vereinbarte die G20. Sie repräsentiert rund 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Der Ort des Folgegipfels ist noch offen, er könnte aber in London stattfinden, hieß es.

Dann wird auch der künftige US-Präsident Barack Obama dabei sein, der am Treffen in Washington nicht teilnahm. Laut US-Präsident George W. Bush wurde sein Nachfolger Obama aber umfassend über die Beratungen auf dem Weltfinanzgipfel unterrichtet. "Wir arbeiten unermüdlich daran, dass die Machtübergabe nahtlos ist", sagte Bush.

Kein globales Konjunkturpaket

Die Regulierung der Finanzmärkte müsse den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entsprechen, sagte Bush am Ende des Treffens. "Unser Regulierungssystem stammt noch aus dem 20. Jahrhundert."

Auf dem Gipfel wurde allerdings kein gemeinsames Paket zur Ankurbelung der Konjunktur verabschiedet. In der Abschlusserklärung würden die Länder lediglich aufgerufen, entsprechend den "eigenen Bedingungen" zu handeln.

Die Erklärung enthält dabei auch eine kurze Passage zu den Ursachen der Finanzkrise. Darin heißt es: "Politiker und Überwachungsinstanzen in einigen entwickelten Ländern haben nicht richtig die Risiken eingeschätzt, die in den Finanzmärkten entstanden sind." In der Erklärung wird auch die Einrichtung neuer globaler Kontrollgremien gefordert, die der grenzüberschreitenden Verflechtung der Finanzindustrie Rechnung tragen.

Regulierung oder freier Markt

Im Grundsatz bekennen sich die Staats- und Regierungschefs in dem Dokument zum Prinzip einer effektiven Finanzkontrolle. Es solle sichergestellt werden, dass "alle Finanzmärkte, Finanzprodukte und Finanzmarktteilnehmer einer Regulierung oder angemessenen Überwachung unterworfen werden", heißt es.

Die Gipfelteilnehmer betonten jedoch auch ausdrücklich die Prinzipien eines freien Marktes, eines offenen Handels und effektiver regulierter Finanzmärkte. Gerade Bush hatte immer wieder die Bedeutung freier Märkte betont. Sie seien der beste Weg zu Wohlstand rund um den Globus, sagte er.

Nach Einschätzung der Bundesregierung haben aber auch die Amerikaner ein elementares Interesse an einer stärkeren Regulierung. Wegen der gigantischen Defizite in Haushalt und Leistungsbilanz sowie des stark auf Kapitalanlagen basierenden US-Rentensystems seien sie auf funktionierende Finanzmärkte angewiesen.

Hedge-Fonds an die Leine

Das Abschlussdokument enthält zudem ein ausdrückliches Bekenntnis zur Regulation von Hedge-Fonds. Explizit wird auch eine größere Überwachung der Rating-Agenturen angesprochen. Die Grundsätze mahnen zudem mehr Verbraucherschutz durch bessere Information an. Die internationalen Finanzorganisationen sollen so reformiert werden, dass sie den veränderten ökonomischen Gewichten in der Weltwirtschaft besser gerecht werden.


Der britische Premierminister Gordon Brown deutete Meinungsverschiedenheiten an: "Es gibt viele Länder mit ihren eigenen Interessen und ihren eigenen politischen Zielrichtungen." Aufstrebende Schwellenländer wie Brasilien verlangen stärkere Mitsprache.

Mit Blick auf Forderungen einiger Länder nach einem weltweiten Konjunkturprogramm sagte der spanische Regierungschef Jos Luis Rodrguez Zapatero: "Wir können und müssen diese Lage bewältigen. Aber wir brauchen dazu abgestimmte Aktionen." Von amerikanischer Seite hieß es, Bush wolle eine Entscheidung darüber seinem Nachfolger Obama überlassen.

Erfolg für Doha-Runde angestrebt

Merkel sagte, beim Gipfel habe sich der gemeinsame Wille gezeigt, sicherzustellen, dass sich eine solche Krise nicht wiederholt. Die G20-Gruppe sei sich auch einig gewesen, die Weltwirtschaft "wieder in Fahrt" zu bringen.

Merkel sagte auch, die G20 wollten die seit Jahren erfolglosen Verhandlungen über ein neues Welthandelsabkommen bis Ende 2008 doch noch erfolgreich abschließen. Der Wille zu einer politischen Grundsatzeinigung sei bei dem Gipfel bei allen Beteiligten spürbar gewesen.

Zuletzt war im vergangenen Sommer - in der sogenannten Doha-Runde - ein weiterer Versuch gescheitert, ein neues Welthandelsabkommen unter Dach und Fach zu bringen. Merkel betonte, dass es nur noch eine geringe Zahl von offenen Streitfragen unter anderem zwischen den USA und Indien gäbe.

Treffen mit Obama-Team

Der außenpolitische Berater der Kanzlerin, Christoph Heusgen, traf sich am Rande des Gipfels mit Beratern des künftigen US-Präsidenten Barack Obama. Das ausführliche Gespräch mit Ex-Außenministerin Madeleine Albright, dem früheren republikanischen Abgeordneten Jim Leach und einem weiteren Vertreter des Obama-Teams am Freitag sei sehr interessant gewesen, sagte Heusgen in Washington.

Quelle: ntv.de

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