Aktuelle Stunde zum Fall Edathy "Wer soll denn das glauben?"
19.02.2014, 17:00 Uhr
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann äußerte sich in der Aktuellen Stunde nicht. Im Innenausschuss will er alle Fragen beantworten.
(Foto: dpa)
Noch ist das Vertrauen in der Koalition nicht ganz wieder hergestellt. Doch der Ablauf der Debatte im Bundestag zeigt: Eigentlich ist der Streit beendet. Nur SPD-Fraktionschef Oppermann muss noch eine überzeugende Antwort finden.
Der CDU-Abgeordnete Armin Schuster bringt es auf den Punkt. Die Opposition könne doch dankbar sein: "Sie kriegen hier 'all inclusive' von der Großen Koalition." Alles inklusive: CSU-Chef Horst Seehofer - der zwar bayerischer Ministerpräsident ist, aber nicht Mitglied des Deutschen Bundestags - hatte der SPD zuvor mit einem Untersuchungsausschuss gedroht, die Koalitionsfraktionen selbst setzten eine Aktuelle Stunde im Parlament an, um über den "Umgang in der Bundesregierung und im Deutschen Bundestag mit den Vorwürfen gegen Sebastian Edathy" zu sprechen.
Da bleibt für die Opposition nicht mehr viel zu tun, sowohl Attacke als auch Aufklärung übernehmen Union und SPD gleich selbst. Die Redner der Union geben vor allem Ehrenerklärungen für Ex-Minister Hans-Peter Friedrich ab und betonen, dass die Gesetze zur Kinderpornographie verschärft werden müssten.
Auch die Redner der SPD dagegen sprechen sich für strengere Gesetze zum Schutz von Kindern aus, vor allem aber verteidigen sie den Anruf von Fraktionschef Thomas Oppermanns beim Präsidenten des Bundeskriminalamts. Und sie machen deutlich, dass Edathy nicht aus der SPD über die Ermittlungen gegen ihn informiert worden sein kann: Bereits Mitte Oktober 2013 hätten zahleiche Behörden Akten mit dem Namen Edathy vorliegen gehabt, sagt die SPD-Abgeordnete Eva Högl. Soll heißen: Eine Vielzahl von Stellen von der örtlichen Polizei in Nienburg bis hin zum Bundeskriminalamt wusste Bescheid. Nicht nur die SPD.
Friedrich war "gezwungen", Gabriel zu informieren
Högl betont außerdem, die Befragungen im Innenausschuss am Vormittag hätten ergeben, dass das Telefonat zwischen Oppermann und Ziercke "völlig korrekt" abgelaufen sei. Oppermann habe sich "aus Fürsorgepflicht" geradezu erkundigen müssen, ob einer seiner Abgeordneten möglicherweise in eine Straftat verwickelt sei.
Ganz ähnlich argumentiert die Union bei Friedrich. Der CSU-Politiker sei "gezwungen" gewesen, SPD-Chef Sigmar Gabriel zu informieren, sagt Schuster. Der CSU-Innenexperte Stephan Mayer spricht Friedrich "hohen Respekt und Hochachtung" aus: Er habe sich "moralisch vollkommen anständig verhalten" und nicht kungeln, sondern die SPD, die Bundesregierung und auch die Bundesrepublik Deutschland vor Schaden bewahren wollen. Ob er sich dabei strafbar gemacht habe, müsse an anderer Stelle geklärt werden.
Mayers Parteifreund Hans-Peter Uhl hat darauf bereits eine Antwort: Geheimnisverrat sei es nur, wenn ein Amtsträger "unbefugt" Geheimnisse offenbare und dadurch "wichtige öffentliche Interessen gefährdet", zitiert er den einschlägigen Paragraphen. Im Gegensatz etwa zu Polizisten seien Minister durch ihr Amt zudem befugt, Geheimnisse weiterzugeben.
Aus Sicht der Union war der koalitionsinterne Krach ein "Schuss vor den Bug", wie Mayer sagt. Oppermanns Rücktritt fordert niemand mehr. Es könne nicht "nach dem archaischen Grundsatz gehen: Auge und Auge, Zahn zum Zahn". Die Botschaft: Wenn Oppermann jetzt halbwegs schlüssig erklärt, was er eigentlich von Ziercke wollte, dann ist die Sache erledigt - vorausgesetzt, es gibt keine weiteren Enthüllungen, beispielsweise über SPD-Lecks in Richtung Edathy.
"Zwei Männer schweigen und wissen Bescheid"
Das war es dann schon. Doch halt, es gibt ja noch die Opposition! Der Linke Dietmar Bartsch nennt die Aktuelle Stunde eine "Alibi-Veranstaltung". Er kritisiert, dass weder Oppermann noch Friedrich das Wort ergreifen. "Keine 100 Tage gibt es Ihre Große Koalition jetzt schon, ein Minister ist weg, und die GroKo steht wie ein Kartenhaus im Wind", ruft der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz. Eine Bemerkung von ihm über das Telefonat Oppermann/Ziercke sorgt für fraktionsübergreifendes Schmunzeln: "Wir sollen glauben, es habe ein Telefonat ohne Ziel und ohne Inhalt stattgefunden. Zwei Männer schweigen sich an und wissen danach Bescheid. Wer soll denn das glauben?"
Man hört bei der Opposition eine gewisse Fassungslosigkeit heraus. Auch mit Blick auf Friedrich. Der sei doch nicht zurückgetreten, weil Grüne oder Linke dies gefordert hätten, sagt von Notz. Er verweist auf Merkel, die als Begründung für den Rücktritt anführte, das Vertrauen in den Rechtsstaat sei erschüttert worden. Diese Auffassung teile er. So richtig auflösen können SPD und Union die offenen Fragen nicht. Die an die Union lautet: Warum musste Friedrich zurücktreten, wenn sein Verhalten einwandfrei war? Die Antwort ist allerdings nicht wirklich wichtig, da geht es mehr um Befindlichkeiten.
Schwieriger zu beantworten ist die Frage an die SPD: Was versprach sich Oppermann von seinem Anruf bei Ziercke? Unmittelbar nach der Aktuellen Stunde geht der SPD-Fraktionschef, der im Plenum noch geschwiegen hatte, in den Innenausschuss. Dort will er "alle Fragen beantworten, die ich beantworten kann", sagt Oppermann, bevor er hinter der Tür zum Ausschuss verschwindet. Eines fügt er noch an: "Mir tut es aufrichtig leid, dass durch meine Veröffentlichung Hans-Peter Friedrich zum Rücktritt gebracht wurde." Er sei "absolut davon überzeugt", dass Friedrich nichts Unrechtes habe tun wollen.
Quelle: ntv.de