Politik

Die Revolution ist noch nicht vorbei Westerwelle in Kairo

Treffen mit den Einflussreichen: Westerwelle mit dem Vorsitzenden des Obersten Militärrates von Ägypten, Verteidigungsminister Mohammed Tantawi.

Treffen mit den Einflussreichen: Westerwelle mit dem Vorsitzenden des Obersten Militärrates von Ägypten, Verteidigungsminister Mohammed Tantawi.

(Foto: dpa)

Jubelnde Menschen überall - auf dem Tahrir-Platz in Kairo macht Guido Westerwelle eine Erfahrung, die er schon lange nicht mehr hatte. Der Außenminister verspricht Hilfe - aber nur, wenn die Ägypter wollen.

Man kann recht einfach feststellen, dass die Revolution in Ägypten noch nicht vorbei ist. Man muss dazu nicht einmal mit Guido Westerwelle auf dem Tahrir-Platz dabei sein, dem wichtigsten Schauplatz der Ereignisse von Kairo, wo der deutsche Außenminister mit Revolutionsslogans gefeiert wird. Es reicht auch, im Verteidigungsministerium die Tür zu einigen Amtszimmern ein wenig weiter zu öffnen: Im neuen Machtzentrum hängen immer noch Bilder von Ex-Präsident Husni Mubarak an der Wand.

"Haben wir vergessen", entschuldigt sich einer der Soldaten. "Ist alles ein großes Chaos hier." Wie auch immer: Westerwelle, der einige Zimmer weiter mit Ägyptens derzeit wichtigstem Mann zusammensitzt, bekommt nichts davon mit. Verteidigungsminister Mohammed Tantawi - auch schon unter Mubarak im Amt - versichert, dass die Militärs die Macht "so schnell wie möglich" loswerden wollen. Sechs Monate noch, dann spätestens sollen Wahlen sein.

Westerwelle reiste als einer der ersten westlichen Politiker seit dem Sturz Mubaraks in das Land.

Westerwelle reiste als einer der ersten westlichen Politiker seit dem Sturz Mubaraks in das Land.

(Foto: dpa)

Es ist ein ziemlich außergewöhnlicher Besuch, auf den sich Westerwelle da eingelassen hat. Keine zwei Wochen ist es her, dass Mubarak noch im Amt war. Jetzt ist de facto eine Militärregierung an der Macht. Die Militärs haben Demokratie versprochen. Aber wie die Sache ausgehen wird, weiß noch keiner genau.

Trotzdem - oder vielleicht auch eben deshalb - hat diese Woche in Kairo eine rege Besuchsdiplomatie eingesetzt. Als erster war der britische Premierminister David Cameron da, dann die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und Italiens Außenminister Franco Frattini. Westerwelle ist Nummer vier. Bislang hatten von den Europäern Frankreich und Italien den größten Einfluss auf der anderen Seite des Mittelmeers. Jetzt werden die Karten neu gemischt.

"Marshall-Plan"

Und die Deutschen wollen an führender Stelle dabei sein. Westerwelle verspricht eine "Partnerschaft auf Augenhöhe". "Die Ägypter sind ein stolzes Volk. Wir sind nicht hier, um es zu bevormunden." Bislang hat die Bundesregierung Finanzhilfen von etwa 30 Millionen Euro im Angebot. Aber klar ist, dass es mehr werden muss. Das Wort vom neuen "Marshall-Plan", das SPD-Vorgänger Frank-Walter Steinmeier vorgeschlagen hat, will der FDP-Chef nicht benutzen. Aber den Gedanken findet er richtig.

Von den Ägyptern, die den Besuch aus Deutschland auf dem Tahrir-Platz bejubeln, weiß dies natürlich keiner. Auch so wird Westerwelle gefeiert wie zu Hause schon lange nicht mehr. Umso lieber stellt er die Ereignisse in den großen Zusammenhang. "Der Tahrir-Platz ist für Ägypten, was für uns Deutsche das Brandenburger Tor ist. Wir Deutsche haben unsere friedliche und freiheitliche Revolution glücklich hinter uns gebracht. Wir wünschen das auch den Ägyptern." Die Menge antwortet mit Revolutionsgesängen wie "Kopf hoch, wenn Du Ägypter bist" oder "Militär und Volk in einer Hand."

Die vielen offiziellen Gesprächspartner - Tantawi, aber auch Übergangs-Ministerpräsident Ahmed Schafik sowie der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, der vielen als möglicher Mubarak-Nachfolger gilt - bekommen Aufbauhilfe verschiedenster Art versprochen. Zudem gibt Westerwelle bekannt, dass alle Reise-Einschränkungen des Auswärtigen Amtes mit sofortiger Wirkung aufgehoben sind. Wichtig für ein Land, das im vergangenen Jahr noch 1,3 Millionen deutsche Urlauber zählen konnte.

Besorgnis über Libyen

Viel spricht dafür, dass Ägypten mit seinen 80 Millionen Einwohnern in den nächsten Jahren zum Brennpunkt der sozialen und gesellschaftlichen Entwicklung in der Region wird. Wie gefährlich die Lage ist, ist derzeit im Nachbarland zu sehen. Den ganzen Besuch über lässt sich Westerwelle über die jüngsten Ereignisse im Libyen unterrichten. Inzwischen nennt er Machthaber Muammar al-Gaddafi ganz offen einen "Diktator". Die Deutschen haben sich an die Spitze derer gesetzt, die Sanktionen wollen.

Wenigstens gab es zunächst keine Bestätigung für die Befürchtungen, die auf dem Flug nach Kairo aufkamen. Aus dem Cockpit konnte Westerwelle beobachten, wie der Nachthimmel immer wieder hell erleuchtet wurde. So hell, dass man dies mit einem Gewitter oder anderen Naturphänomenen nicht mehr erklären konnte. Die Lichtpilze kamen eindeutig von der libyschen Küste. Im Cockpit war deshalb gängige Vermutung, dass es sich um Bomben der libyschen Luftwaffe handelte. Nach den vergangenen Tagen traut man Gaddafi fast alles zu.

Eine schlüssige Erklärung gab es aber auch am Tag danach noch nicht. Gaddafis Sohn Saif al-Islam bestritt jedoch, dass Angriffe auf die eigene Bevölkerung geflogen worden seien. Möglicherweise bombardierte die Luftwaffe aber eigene Waffen- und Munitionsdepots um zu verhindern, dass die Lager in die Hände von Aufständischen fallen. Nicht das Einzige, das in Nordafrika derzeit im Ungewissen bleibt.

Quelle: ntv.de, Christoph Sator, dpa

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