FDP mit Kanzlerkandidat Westerwelle macht's
12.05.2002, 00:00 UhrDie FDP wird zum ersten Mal in ihrer Geschichte mit einem eigenen Kanzlerkandidaten in den Bundestagswahlkampf ziehen. Parteichef Guido Westerwelle wurde am Sonntag in Mannheim von den rund 660 Delegierten des Bundesparteitages der Liberalen bei nur zwei Gegenstimmen nominiert.
Der 40-jährige Westerwelle rief die Liberalen in seiner mit minutenlangem Beifall bedachten Abschlussrede auf: "Kämpfen wir nicht nur um die Zweitstimmen, kämpfen wir auch um die Erststimmen." Er unterstrich den Anspruch seiner Partei, im Bund wieder mitzuregieren und gab als ernst gemeintes Wahlziel 18 Prozent aus. Westerwelle stellte seine Partei als die "saubere und unbelastete" Alternative dar. Vorstands-Beschluss heißt es: "Als Partei für das ganze Volk treten wir mit unserem eigenen Kanzlerkandidaten zur Bundestagswahl an." Eine Koalitionsaussage wurde erneut abgelehnt. Die Kandidatur des FDP-Vorsitzenden stieß beim politischen Gegner auf Kritik, teilweise auch auf Spott.
Wahlprogramm verabschiedet
Während des dreitägigen Kongresses verabschiedeten die Delegierten zudem ein umfangreiches Programm zur Bundestagswahl am 22. September. Im Zentrum des Wahlprogramms steht eine radikale Steuerreform: "Steuersenkungen sind das beste Beschäftigungsprogramm." Künftig solle es nur noch einen Stufentarif mit drei Steuersätzen von 15, 25 und 35 Prozent geben. Zur Sicherung des Existenzminimums erhält jeder Bürger - auch jedes Kind - ein Grundfreibetrag von 7.500 Euro. Für Alterseinkünfte will die FDP die nachgelagerte Besteuerung einführen und Beiträge zur Altersvorsorge steuerfrei stellen. Zu heftigen Diskussionen führte der Antrag, Kindergartenplätze kostenlos anzubieten und die Kommunen dafür im Bund-Länderausgleich zu entlasten. Eine knappe Mehrheit der Delegierten lehnte dies ab.
Streit um das Fell des Bären
Viereinhalb Monate bevor der neue Bundestag überhaupt gewählt ist, streiten sich Union und FDP bereits über Einzelressorts. Während Unionskanzlerkandidat Stoiber den Jenoptik-Chef und früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth (CDU) als Wirtschaftsminister nominieren will, reklamierte FDP-Vize Rainer Brüderle den Posten für seine Partei.
Diskussion um Nahost-Konflikt
Bei den Programmberatungen am Samstag spielte vor dem Hintergrund umstrittener Äußerungen von Parteivize Jürgen Möllemann die Haltung der FDP im Nahost-Konflikt eine zentrale Rolle. In einem einstimmig beschlossenen Antrag stellte sich die FDP entschieden an die Seite Israels. Das uneingeschränkte Existenzrecht Israels sei unantastbar. Möllemann, der auch Präsident der deutsch-arabischen Gesellschaft ist, hatte die israelische Politik kritisiert und Verständnis für die Reaktion der Palästinenser gezeigt. Möllemann verwahrte sich in Mannheim dagegen, wegen der Kritik an der Politik des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon in die Antisemitismus-Ecke gestellt zu werden.
Quelle: ntv.de