Interview mit Forsa-Experte Matuschek "Westerwelles Anteil am Absturz gewaltig"
05.01.2011, 16:31 Uhr
Vom eloquenten Lautsprecher Guido Westerwelle ist nur wenig geblieben.
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Hinsichtlich ihrer Umfragewerte befindet sich die FDP weiterhin auf Tauchstation. Und so mehren sich bei den Liberalen die Stimmen gegen Parteichef und Außenminister Westerwelle. Forsa-Experte Peter Matuschek hat seine eigenen Vorstellungen von den Gründen der Misere und mittelfristigen Lösungen. Im Gespräch mit n-tv.de erklärt er, dass es in der eigentlich krisenerprobten Partei sehr wohl eine Zukunft für Westerwelle geben kann und warum eine Annäherung an die SPD einem politischen Selbstmord gleichkommen würde.
n-tv.de: Wie viel Schuld trägt Guido Westerwelle wirklich am Niedergang der FDP?
Peter Matuschek: Sein Anteil daran ist natürlich gewaltig. Er ist Parteivorsitzender und Außenminister, aber auf dem letzten Platz der Politikerrangliste. Trotzdem sind die Gründe natürlich vielschichtiger.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki sieht Guido Westerwelles Zukunft als Parteichef mit dem Ausgang der Landtagswahlen verbunden.
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Hat man sich vielleicht zu sehr auf das Thema Steuerreform versteift?
Die Steuersenkungen sind von der Partei zwar stets in den Vordergrund gerückt worden, aber in der Tat nicht das Thema, das die Menschen derzeit umtreibt. Noch dazu sieht das Gros der Bürger momentan keinen Spielraum für Steuersenkungen. Es gibt sogar eine Mehrheit unter den FDP-Anhängern, die diese Forderung ihrer Partei ablehnt. Die Leute sehen, dass der Staat in der momentanen Situation Geld braucht und zunächst die Verschuldung bekämpfen muss. Die thematische Verengung auf das Thema Steuersenkungen war von Anfang an ein Fehler.
Was wären denn klassische liberale Themen, mit denen die FDP derzeit punkten könnte?
Die FDP muss natürlich generell sehen, dass sie wieder an Kompetenz gewinnt, sich deutlich breiter aufstellt. Vor allem muss sie aber stärker die Themen ansprechen, für die sie letztendlich auch gewählt wurde. Dazu zählen beispielsweise die Entbürokratisierung und der Abbau von Hindernissen für Unternehmen. Themen also, die auch die klassischen Mittelständler bewegen, die sich enttäuscht von der Partei abgewandt haben.
Nach der Bundestagswahl ist man mit einem Rekordergebnis von 14 Prozent in die Koalitionsverhandlungen gegangen, den Ton gibt jedoch nur die Union an. Zeigen sich die Wähler eventuell auch enttäuscht darüber, dass man sich trotz des Ergebnisses vom Senior-Partner förmlich hat übertölpeln lassen?
Die Wähler, welche die FDP in der letzten Bundestagswahl für sich gewinnen konnte, kamen zu einem guten Teil von der CDU/CSU. Sie haben ihre Stimme bei der FDP sozusagen "geparkt", weil sie zum Teil von der Unions-Rhetorik einer Verstaatlichungspolitik verschreckt waren. Sie wollten der Union mit den Liberalen eine Art "Aufpasser" an die Seite stellen, der das Marktwirtschaftliche stärker hochhält und den klassischen Mittelstand im Auge hat. Genau diese Gruppe hat sich nun frustriert von der FDP abgewandt, ist jedoch nicht zur Union zurückgewandert. Selbstverständlich ist man enttäuscht, dass die FDP zu wenig Akzente setzt, beispielsweise im Wirtschaftsministerium bisher zu wenig wahrnehmbar gewesen ist. Das hat sich in den letzen Monaten zwar leicht geändert, aber natürlich haben wir hier ein im Grunde klassisches FDP-Ressort, in dem die Partei zu wenig Profil hat entwickeln können.
Warum stürzten die Grünen denn nach acht Jahren Regierungsverantwortung als Juniorpartner nicht so ab wie die FDP? Gerade in der Sicherheitspolitik schienen sie doch teilweise ihre Prinzipien hinten an zu stellen.
Die Grünen haben traditionsgemäß ein sehr starkes Stammwählerpotential. Bei der FDP ist der Stammwähleranteil niedriger. Und die Wähler der Grünen sollte man auch deutlich von der sogenannten "Basis" unterscheiden. Die besteht ja aus Mandatsträgern und Mitgliedern auf Parteitagen. Die Wähler sind deutlich moderater ausgerichtet, als es den Anschein hat, wenn man sich einige Parteitage ansieht.
Ist das Umfragetief der FDP vielleicht auch damit zu erklären, dass es derzeit schlichtweg Mode ist, auf die Partei einzuknüppeln?
Das Tief der FDP hat durchaus reale Ursachen. Die Meinung der FDP-Wähler von 2009, welche die Liberalen derzeit nicht wiederwählen würden, ist doch sehr eindeutig und auch mit Gründen belegbar. Ihre Unzufriedenheit ist deutlich mehr als eine Modeerscheinung.
Wäre ein Rückzug Westerwelles von einem seiner beiden Ämter auf kurze Sicht hilfreich?
Man muss hier differenzieren, welche Ämter er denn aufgeben soll. Mittelfristig könnte es vielleicht helfen, wenn er sein Amt als Außenminister zur Verfügung stellt und sich ganz auf die Rolle als Parteivorsitzender konzentriert. In der ist er bei der letzten Wahl schließlich gewählt worden. Eine andere Möglichkeit wäre, zusätzlich noch den Fraktionsvorsitz im Bundestag zu übernehmen. Dann könnte Westerwelle im Grunde eine ähnliche Rolle einnehmen wie Herbert Wehner damals bei der SPD. Er könnte versuchen, die Partei so aus dem Hintergrund zu ordnen. Das wäre im Moment zielführender als ein Rücktritt vom Parteivorsitz. Es ist ja auch nicht so, dass die personellen Alternativen für das Parteiamt dermaßen groß sind, dass man das Ruder von heute auf morgen herumreißen kann.

Daniel Bahr, Philipp Rösler und Chritisan Lindner sind jung und unverbraucht. Ob einer von ihnen die Liberalen wieder auf Kurs bringen kann, bleibt indes zweifelhaft.
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Als Alternative für den Parteivorsitz kommt momentan für viele wohl lediglich Christian Lindner in Frage. Wäre ein junger Karrierepolitiker aber nicht eher gefährlich für das Verhältnis der FDP zu den Wählern? Die Bürger scheinen sich im Moment ja eher mit Urgesteinen wie Helmut Schmidt oder Heiner Geißler identifizieren zu können.
Wir haben derzeit noch wenig Umfragewerte zu Christian Lindner. Natürlich ist er noch sehr jung und seine Wahl wäre wohl ein abermaliger Bruch, der die Partei dann vor neue Aufgaben stellen würde. Er ist in seiner jetzigen Rolle offenbar ganz gut besetzt, der Parteivorsitz könnte für ihn zu früh kommen. Den Status als „Berufspolitiker“ hat er ja im Übrigen mit vielen anderen Politikern – aus allen Parteien – gemein. Einen Mann mit dem Hintergrund eines Helmut Schmidt bekommt man heute natürlich so nicht mehr. In der momentanen Situation kommt es vor allem darauf an, dass derjenige, der an der Spitze steht, den Eindruck vermittelt, dass er die Partei zusammen halten und führen kann. Er muss Kompetenz vermitteln, die auch nach außen hin ausstrahlt.
In der FDP werden gerade wieder Stimmen laut, die eine Öffnung der Partei hin zur SPD sehen wollen. Könnte das in der Partei mehrheitsfähig werden?
Das wäre vor dem Hintergrund der politischen Ausrichtung der FDP-Wähler mit Sicherheit fatal. Wie gesagt, bei der letzten Bundestagswahl konnte man vor allem bei enttäuschten Anhängern der Union punkten. Und die wollten ja gerade sicherstellen, dass es nicht zu Rot-Grün oder einem Linksbündnis kommt.
Wäre es für die FDP schon der vorweggenommene Zusammenbruch, wenn sie 2011 den Einzug in mehrere Landesparlamente verpasst?
Die FDP sollte einfach langfristig denken. Nach der Bundestagswahl 1994 gab ja auch Wahlen, in denen sie aus mehreren Landtagen "flog". In den Bundestag sind sie letztendlich trotzdem wieder eingezogen. Die Partei sollte sehen, dass sie mittelfristig wieder in die Spur kommt, aber man sollte nichts dramatisieren.
Aber ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde im "FDP-Kernland" in Baden-Württemberg käme schon einer absoluten Demütigung gleich…
In der Tat. Aber man müsste auf Seiten der Partei darauf vorbereitet sein. Die Wahlen in Nordrhein-Westfalen haben ja schon angedeutet, dass man auch 2011 bei den Landtagswahlen Verluste erleiden könnte.
Sie denken also, dass die Liberalen wieder aus dem Umfragekeller klettern werden?
Es ist zu früh, jetzt schon den Abgesang auf die FDP anzustimmen. Für die nächste Bundestagswahl ist noch gar nichts entschieden. Die Verluste sind natürlich dramatisch und die FDP wird einiges zu tun haben, sich wieder zu berappeln, aber es ist derzeit noch viel zu früh, um sagen zu können, wie sich die Situation 2013 darstellen wird.
Quelle: ntv.de, Mit Peter Matuschek sprach Michael Kreußlein