Kirchentag in Köln Westliche Überheblichkeit
09.06.2007, 11:34 UhrBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Horst Köhler haben vor westlicher Überheblichkeit im Umgang mit afrikanischen Ländern gewarnt. Zudem forderte Merkel weltweite soziale und ökologische Mindeststandards, um die Globalisierung erfolgreich zu gestalten. "Wir können unmöglich Afrika mit unserer europäischen Erfahrung etwas aufdrängen", sagte sie am Samstag beim Evangelischen Kirchentag in Köln einen Tag nach dem G8-Gipfel von Heiligendamm. Globalisierung kann nur gelingen, wenn es soziale Mindeststandards gibt und Mindeststandards bei der Umwelt, und die müssen wir durchsetzen", sagte die Kanzlerin.
Köhler warb bei dem Protestantentreffen für ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Europa und Afrika. Bei der Entwicklungshilfe dürfe nicht "von oben nach unten" geschaut werden, sagte er.
Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker sagte am Rande der Veranstaltung, der G8-Gipfel habe "in Bezug auf das Klima eine wirkliche Wende" gebracht. "Gemessen am Widerstand, der bisher globale Gespräche über das Klima in den letzten Jahren nach dem Kyoto-Protokoll geprägt hat, sind wir einen deutlichen Schritt weiter gekommen." Auch das Gespräch zwischen US-Präsident George W. Bush und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sei "von besonderer Bedeutung" gewesen.
Bei der Diskussion mit dem Friedensnobelpreisträger Muhammed Yunus betonte Merkel, dass der G8-Gipfel nur "einer von ganz vielen Schritten" auf dem Weg zu einer gerechteren Weltwirtschaft gewesen sei. Merkel sprach sich dafür aus, das System der Mikrokredite für Kleinunternehmer – wie Yunus es in Bangladesch praktiziert – auch in Afrika zu etablieren. Umgesetzt werden könne dies aber nur mit Hilfe der dortigen Bevölkerung. Merkel ergänzte: "Die ärmsten Länder werden nur eine Chance mit ihren Produkten haben, wenn sie faire Handelsbedingungen bekommen."
Yunus warb für einen zweistufigen Ansatz bei der Entwicklungsarbeit. Einerseits müsse die Bundesregierung ihre Hilfe fortsetzen, andererseits sei auch das finanzielle Engagement der Privatwirtschaft gefordert. Zudem böte es sich an, Hilfsprojekte zunächst auf einzelne arme Länder zu konzentrieren.
Lautstarke Zwischenrufe
Merkel hatte mit ihrem Auftritt beim Kirchentag Besuchermassen angezogen. Der Veranstaltungsort auf dem Kölner Messegelände war überfüllt, auch vor den Eingängen zu der Halle drängten sich hunderte Menschen. Die Podiumsdiskussion geriet kurzzeitig ins Stocken, als etwa ein Dutzend Besucher per Megafon ein Lied anstimmten. Die Störer wurden vom Publikum ausgebuht und von Ordnern aus dem Saal geleitet.
Quelle: ntv.de