Merkel und der Koalitionspoker Wie schwarz können Grüne sein?
01.10.2013, 18:11 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Ist Schwarz-Grün eine echte Option oder nur eine Fata Morgana für Abenteurer? Kanzlerin Merkel will das ausloten, auch die Grünen machen mit. Schnittmengen allerdings sind kaum vorhanden - was gerne vergessen wird.
Schwarz-Grün: Was zur Anfangszeit der Öko-Partei vollkommen undenkbar war, scheint heute sogar auf Bundesebene greifbar nah. Vorbei die Zeit, in der die Anzugträger auf der rechten Seite des Parlaments mit derbem Stammtisch-Humor die Strickpullis der Newcomer verlachten; auch die Grünen nennen ihre vermeintlich konservativen Kontrahenten nicht mehr post-faschistische Reaktionäre. Doch schlägt sich dieser Wandel darin nieder, dass eine Koalition möglich ist?
In der Union jedenfalls klingt es danach. Ob die Stimmen pro Schwarz-Grün sich nur mehren, um die Sozialdemokraten unter Druck zu setzen, ist unklar. Möglich, dass Kanzlerin Angela Merkel diesbezüglich ihre Truppen steuert. Immerhin sind es nicht irgendwelche Hinterbänkler, die sich da äußern. Armin Laschet etwa, Chef der NRW-CDU. Und Thomas Strobl, der den wichtigen Landesverband in Baden-Württemberg steuert.
Die Grünen, so Laschet, analysierten offen ihre Fehler. "Und sie stellen sich neu auf." Die SPD hingegen wiederhole lediglich lautstark Wahlkampfparolen. Strobl sprach von einer "Erleichterung", die die Grünen durch den Rückzug ihres Spitzenkandidaten Jürgen Trittin erfahren hätten. Es sei nun sinnvoll, mit der viertgrößten Fraktion im Bundestag zu verhandeln – und zwar ernsthaft. Die Eruption in der Grünen-Führung setzt also Morgenluft frei. Auch CSU-Mann Günther Beckstein sieht das so. Er plädiert sogar schon jetzt für ein Zusammengehen. "Ich bin überzeugt, dass das ein Experiment wäre, das man versuchen sollte", sagt er. Der in seiner Rolle als bayerischer Ministerpräsident glücklose Beckstein ist allerdings seit jeher als Grünen-Fan bekannt.
So aufregend vor allem die politischen Beobachter in Berlin das Novum fänden – am Ende zählen Inhalte. Und die können nicht ständig auf dem Altar der Macht geopfert werden. Für die Grünen nimmt Katrin Göring-Eckardt Stellung. Sie wisse beispielsweise nicht, wie es zwischen Grünen und Union mit der ökologischen Erneuerung klappen solle. Und Tübingens populärer grüner Bürgermeister Boris Palmer plädiert zwar schon länger für eine Öffnung zur Union, sieht aber derzeit immer noch keine Partnerschaftschancen.
Vor allem, weil es neben den Fragezeichen in Sachen Energie noch andere, schwerwiegende Dissonanzen gibt. In der Steuerpolitik etwa. Die Grünen wollten im Wahlkampf den Reichen an den Geldbeutel, die Union will das auf jeden Fall vermeiden. Beim Punkt Arbeit liegen die Vorstellungen zwischen flächendeckendem 8,50-Euro-Mindestlohn bei den Grünen und branchenbezogenen Lohnuntergrenzen in der Union – wenig Luft für Kompromisse. Ein Problemfeld auch die Gesundheitspolitik: Die Grünen wollen weg von der Zwei-Klassen-Medizin, hin zu einer Bürgerversicherung mit Behandlungsgleichheit. Die Merkel-Truppe hingegen steht für private und gesetzliche Kassen.
Eher Arbeit, keine Liebe
Auf weiteren, allerdings kleineren Feldern gehen die Parteien ebenfalls auseinander. Die grüne "Garantierente" von monatlich 850 Euro passt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen nicht; eine Frauenquote von 50 Prozent läge Merkel wohl so schwer im Magen wie es das Betreuungsgeld bei den Grünen bereits tut. Weitere, zum Teil extreme Kontroversen gibt es in der Ausländerpolitik, der Verkehrspolitik, bei der Rüstung und dem Datenschutz. Allein dieser kurze Ausriss zeigt: So nah, dass es für eine Liebe reicht, sind Schwarz und Grün sich wohl doch nicht.
Immerhin: Es gibt ein Date. Nach den ersten Sondierungsgesprächen mit der SPD will Merkel auch die Grünen treffen. Der ungeliebte Trittin wird wohl noch dabei sein. Dafür aber auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der gut mit der Kanzlerin kann. Das Motto: ergebnisoffene Gespräche. Vermutlich werden daher auch die Grünen die Ergebnisse denkbarer Koalitionsverhandlungen von der Basis absegnen lassen wollen – ähnlich hat es auch die SPD vor. Die immer noch streitlustige grüne Basis könnte dann allen schwarz-grünen Gedankenspielen erstmal ein jähes Ende setzen. Schließlich seien die Grünen, sagt auch NRW-Vizeministerpräsidentin Sylvia Löhrmann, vor allem den Wählern verpflichtet, "die für unsere Inhalte gestimmt haben".
Quelle: ntv.de