Bundestag ist uneinig Wie stark darf eine deutsche Drohne sein?
01.07.2014, 08:51 Uhr
Die X-47B von Northrop Grumman ist eine der am weitesten entwickelten Kampfdrohnen. Sie kann auf Flugzeugträgern starten und landen. (Computergrafik)
(Foto: Wikipedia)
Die Bundeswehr schwört auf unbemannte Aufklärungsdrohnen. Noch lieber wäre es ihr, wenn die nächste Drohnen-Generation auch Schüsse abgeben könnte. Die Überlegungen des Bundestags gehen aber noch weiter. Viel weiter.
"Die Truppe war sehr in Bedrängnis gekommen", erzählt General Hans-Werner Fritz. Es war bis dahin einer der härtesten Einsätze einer Bundeswehreinheit am Boden. Fritz forderte Unterstützung aus der Luft an, doch es dauerte. "Damals hätte ich mir eine bewaffnete Drohne gewünscht", sagt Fritz. Er und seine Soldaten waren in Lebensgefahr. "Die Minuten unter Feuer können sehr, sehr lang werden."
Die Bundeswehr wäre bei ihren Einsätzen gerne auf dem Stand der Technik, also auch mit Drohnen bewaffnet. Bislang nutzt sie geleaste Drohnen, die Bilder senden, aber nicht schießen können. Es handelt sich um Fluggeräte vom Typ "Heron 1" der israelischen Luftwaffe. Der Vertrag läuft im März 2015 aus. Wenn die Bundeswehr nun eigene Drohnen anschafft, könnte sie direkt ein System kaufen, das sich bei Bedarf auch bewaffnen lässt. Kommt es wieder zu einer Situation wie der, die Hans-Werner Fritz beschreibt, könnte die Drohne zum Beispiel Hellfire-Raketen auf die gegnerische Stellung abschießen.
Kurzfristiger Ersatz und langfristige Entwicklung
Am Montagnachmittag hörte der Verteidigungsausschuss Experten zu dem Thema an. Darunter waren Friedensforscher, ein Luftfahrtexperte, Völkerrechtler und Militärexperten. Die heiklen Fragen sollten von allen Seiten beleuchtet werden, auch wenn sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen angeblich schon eine Meinung gebildet hat. Für die Beschaffung von Drohnen braucht sie die Zustimmung des Bundestags, und dort sind nicht nur Linke und Grüne, sondern auch die SPD derzeit gegen jegliche bewaffnete Drohnen. Die Opposition hat grundsätzliche Bedenken, die SPD sieht derzeit keine Notwendigkeit, da der Afghanistan-Einsatz ja ausläuft.
In der Diskussion geht es aber nicht nur um den Ersatz für die Heron-Drohnen. Es geht auch darum, wie Deutschland in Zukunft mit Kampfdrohnen umgeht – denn die Systeme werden rasch weiterentwickelt. Derzeit eingesetzte Drohnen haben eine Kamera und jedes ihrer Manöver wird vom Boden aus gesteuert. Die Piloten haben eine normale Pilotenausbildung und orientieren sich beim Flug an den gleichen Instrumenten, die sie auch in einem bemannten Flugzeug zur Verfügung hätten.
Experimente von Rüstungsfirmen zeigen, dass die Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Bald werden Drohnen über mehr Kameras verfügen und mehr Bilder senden, als ein Pilot alleine erfassen kann. Sie werden kompliziertere Flugmanöver ausführen können, schneller sein und könnten sich damit bald auch für Luftkämpfe eignen. Aus den langsamen, verletzlichen Fluggeräten könnten irgendwann kleine Kampfjets werden.
Schwärme kleiner, unbemannter Kampfjets
Was dann? Kann sich Deutschland dann der Aufrüstung nicht mehr entziehen? Oder muss es alles tun, um so eine Entwicklung zu stoppen? Aus Sicht von CDU und CSU sollte Deutschland technisch aufholen – am besten zusammen mit anderen EU-Staaten. Als zusätzliches Argument für die Produktion hierzulande gilt, dass amerikanische Drohnen verletzlicher gegenüber Ausspähung und Manipulation durch die US-Geheimdienste sein könnten.
Die Drohnen werden aber nicht nur schneller, wendiger und gefährlicher, sie werden auch intelligenter. Die Computer an Bord können immer mehr selbst erledigen, ohne dass ein Mensch eingreifen muss: etwa über einem Ziel kreisen, eine Acht fliegen, bald wohl auch starten und landen. Studien zeigen Schwärme von Drohnen, die sich blitzschnell aufeinander abstimmen und in Formationen agieren. Weil die satellitengestützten Funkverbindungen Zeit in Anspruch nehmen, werden Entscheidungen Schritt für Schritt von den Computern an den Bodenstationen in die Drohnen verlegt. Der Pilot verliert an Bedeutung; aus den ferngesteuerten Flugzeugen werden selbstständige Einheiten.
Wäre es dann der logische nächste Schritt, nicht nur die Flugmanöver, sondern auch den Einsatz der Waffen vom Bordcomputer entscheiden zu lassen? Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik plädiert dafür, autonome Systeme nie zu bewaffnen und bewaffnete Systeme nie autonom steuern zu lassen. Laut Koalitionsvertrag will auch die Regierung eine internationale Ächtung von selbstständigen Killer-Computern. Die Opposition fürchtet, dass sich diese nicht durchsetzen lässt, wenn man selbst in die Produktion von Kampfdrohnen einsteigt.
Quelle: ntv.de