Politik

NSA baut in Wiesbaden neues Abhörzentrum Wie viele Terroranschläge verhinderte Prism?

Ein Mann, verkleidet als Überwachungskamera, bei einer Demonstration vor dem US-Generalkonsulat in Hamburg.

Ein Mann, verkleidet als Überwachungskamera, bei einer Demonstration vor dem US-Generalkonsulat in Hamburg.

(Foto: dpa)

Innenminister Friedrich sagt, Daten des US-Geheimdienstes NSA hätten fünf Anschläge in Deutschland verhindert - oder weniger. Nun nennt Verfassungsschutz-Chef Maaßen eine höhere Zahl. Unklar ist auch, wie das zweite Prism-Programm funktioniert. Entgegen der Darstellung der Regierung soll es auf NSA-Datenbanken zugreifen. Die NSA baut derweil ein neues Abhörzentrum.

Informationen des US-Geheimdienstes NSA haben nach einem Bericht der "Mitteldeutschen Zeitung" dazu beigetragen, sieben Terroranschläge in Deutschland zu vereiteln. Diese Zahl habe Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen dem Innenausschuss des Bundestages genannt, berichtete das in Halle erscheinende Blatt unter Berufung auf Sitzungsteilnehmer. Maaßen habe diese Fälle im Detail erläutert. Zwei Hinweise hätten demnach auf dieselbe Spur geführt.

Innenminister Friedrich (l.) im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach.

Innenminister Friedrich (l.) im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach.

(Foto: dpa)

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hatte zunächst von fünf vereitelten Anschlägen gesprochen. Sein Sprecher hatte dies später relativiert und gesagt, es könnten auch weniger gewesen sein.

Die NSA überwacht angeblich im großen Stil die Kommunikation von Bürgern und Politikern in Deutschland. Auch Wochen nach den ersten Enthüllungen darüber sind noch immer viele Fragen zu Umfang und zu Einzelheiten der Datensammlung unklar. Friedrich war in der vergangenen Woche in die USA gereist, um mehr Informationen von der US-Regierung zum US-Spähprogramm Prism zu erlangen. Über die Ergebnisse der Gespräche sprach er am Dienstag vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium, am Mittwoch wie Maßen vor dem Innenausschuss.

In der Innenausschuss-Sitzung bestätigte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, auch einen Zeitungsbericht, laut dem die NSA in Wiesbaden ein neues Abhörzentrum errichten wird. Wie die "Mitteldeutsche Zeitung" berichtet, habe Schindler sowohl die Präsenz der NSA an dem Standort als auch die Ausbaupläne bestätigt.

"Immer Rückmeldungen der Politik"

Zuletzt tauchte neben dem umstrittenen US-Spähprogramm Prism eine zweite Datenbank mit demselben Namen auf. Diese soll im Kommandobereich der Bundeswehr in Afghanistan zur Überwachung von Terrorverdächtigen eingesetzt worden sein.

Bundesregierung und Bundesnachrichtendienst (BND) hatten versichert, es handele sich um zwei unterschiedliche Programme. Die "Bild"-Zeitung berichtet hingegen, dass beide Prism-Programme auf dieselben NSA-Datenbanken zugriffen. In beiden würden auch Internet- und Telefon-Verbindungsdaten deutscher Staatsbürger gespeichert, schreibt das Blatt unter Berufung auf Quellen in den USA, die mit Prism vertraut seien.

Die Linkspartei warf der Bundesregierung vor, Öffentlichkeit und Parlament "für dumm verkauft" zu haben. "Alle halbseidenen Dementis ändern nichts daran, dass BND und Bundeswehr das Programm nicht nur seit Jahren kennen, sondern da auch fleißig Daten einspeisen", sagte die Parteivorsitzende Katja Kipping der "Rheinischen Post". Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach von "vielen Fragezeichen". "Nachrichtendienste agieren nie völlig eigenständig. Es gibt immer Rückmeldungen der Politik", sagte der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow der "Passauer Neuen Presse".

Vorwürfe gegen Steinmeier

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", seine Partei erwarte, dass die Generalbundesanwaltschaft von sich aus ein Ermittlungsverfahren prüfe. "Und zwar gegen die britischen und amerikanischen Geheimdienste und auch gegen mögliche Helfershelfer in den deutschen Diensten." Man müsse den Verdacht haben, "dass sich die Bundesregierung nicht traut, deutsches Recht durchzusetzen".

"Von der SPD lassen wir uns nicht kritisieren", hielt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP in der "Passauer Neuen Presse" dagegen. "Herr Steinmeier war bis 2005 Kanzleramtsminister und zuständig für die Geheimdienste. Das sollte man nicht vergessen", erinnerte die Liberale. "Er weiß sehr genau, wie eng die Zusammenarbeit mit den USA ist." Der grüne Bundestags-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte dagegen n-tv.de: "Der Versuch, Rot-Grün jetzt mit in die Verantwortung zu nehmen, soll von der Verantwortung der Kanzlerin ablenken." Er entbehre zu der derzeitigen Massenausspähung jeder Grundlage.

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, plädierte im "Handelsblatt" für eine Aufarbeitung über Parteigrenzen hinweg. "Der Vorgang hat eine solche Tragweite, dass wir hier in Berlin über die Einrichtung einer parteiübergreifenden Kommission nachdenken sollten - trotz Wahlkampf."

Scharfe Kritik auch in den USA

Unterdessen kritisierten auch US-Politiker die NSA-Aktivitäten. In einer Anhörung vor dem Justizausschuss des Repräsentantenhauses setzten Abgeordnete sowohl der Demokraten als auch der Republikaner Geheimdienstmitarbeiter und Vertreter des Justizministeriums mit scharfen Fragen unter Druck. Mehrere Politiker erklärten, es verstoße gegen Recht und Gesetz, wenn die NSA Telekommunikationsdaten von Millionen von US-Bürgern sammle.

"Ich bin sehr sicher, dass dieses Programm den Weg der Legalität verlassen hat", sagte die demokratische Abgeordnete Zoe Lofgren. Ihr Parteikollege John Conyers nannte die Spähaktivitäten "unhaltbar" und "skandalös". "Mir scheint, uns liegt hier eine sehr ernste Rechtsverletzung vor", sagte er. Der Republikaner James Sensenbrenner kritisierte die massenhafte Sammlung von Telefonverbindungsdaten. Falls der Umgang mit den Daten nicht verändert werde, könne die bisherige Erlaubnis für deren Speicherung möglicherweise nicht verlängert werden, sagte Sensenbrenner.

Der stellvertretende Justizminister James Cole zeigte sich hingegen überzeugt, dass die NSA-Aktivitäten "das Gleichgewicht zwischen dem Schutz der nationalen Sicherheit und dem Schutz der Privatsphäre und der bürgerlichen Freiheiten" wahrten. Die Überwachungsprogramme beruhten auf Gesetzen, die der Kongress beschlossen habe, argumentierte er.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP

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