Der Balkan brennt Wieder Kämpfe im Kosovo
18.03.2004, 00:00 UhrSüdosteuropa wird seinen Unruheherd nicht los: Im Schatten der Terroranschläge von Spanien und der andauernden Gewalt im Irak hat sich die seit langem schwelende Balkankrise wieder zu einem bürgerkriegsähnlichen Konflikt entwickelt. Serben und Albaner kämpfen wieder um die politische Vorherrschaft in der südserbischen Provinz Kosovo.
Allein am Mittwoch wurden 22 Menschen getötet und bis zu 500 verletzt, 200 von ihnen schwer. Dutzende von Häuser, Autos und kirchliche Einrichtungen brannten nieder. Enttäuscht vom Engagement der internationalen Gemeinschaft riefen Zehntausende in der Kosovo-Hauptstadt Pristina nach der aufgelösten albanischen Untergrundarmee UCK.
Nato, EU und UN tragen Mitschuld
Der frühere UN-Menschenrechtsbeauftragte für Jugoslawien, Jiri Dienstbier, gab der internationalen Gemeinschaft derweil eine Mitschuld an dem aufflammen des Konflikts. "Seit fünf Jahren feiern UN, Nato und EU angebliche Erfolge im Kosovo, aber die Macht liegt noch immer in den Händen der aufgelösten UCK." Weiter sagte der Tscheche im Prager Rundfunk. "Wenn nicht endlich die Täter von damals eingesperrt und rechtsstaatliche Prinzipien durchgesetzt werden, wird eine Welle der Gewalt das ganze Land überrollen". Die UCK war der militärische Arm der Kosovo-Albaner.
Nato reagiert mit Soldaten
Am Tag nach den Zusammenstößen bezogen die Friedenstruppen an wichtigen Gebäuden und Straßenkreuzungen Position. Die inländischen Grenzen der Provinz zur Republik Serbien wurden geschlossen. Von Serbien aus will die Nato 400 weitere Soldaten in das Krisengebiet schicken.
Die Nato ist für die Sicherheit in der Provinz zuständig und hat rund 24.000 Soldaten aus 36 Ländern in einer Stabilisierungstruppe für den Kosovo (KFOR) im Einsatz sowie eine weitere Truppe in Bosnien-Herzegowina (SFOR) stationiert. Deutschland stellt offiziellen Angaben zufolge 3.250 KFOR- und 1.300 SFOR-Soldaten. Die bereit stehenden Einheiten "werden, wann immer es nötig wird, ins Einsatzgebiet verlegt und dem Kommandeur zur Verfügung gestellt ", sagte der Nato-Sprecher. Die Bundesregierung in Berlin rät seit Donnerstag von Reisen in das Kosovo ab.
Das Fass zum Überlaufen gebracht
Die Ausschreitungen hatten in Mitrovica begonnen, einer zwischen den beiden Volksgruppen geteilten Stadt, nachdem drei albanische Jungen in dem durch die Stadt fließenden Fluss ertrunken waren. Ein Überlebender sagte, die Kinder seien gejagt und in den Fluss gehetzt worden, und zwar von Serben, die sich damit für die Verletzungen eines serbischen Teenagers bei einer Schießerei gerächt hätten.
Retter werden zur Zielscheibe
Aus Protest gegen die Übergriffe der mehrheitlich moslemischen Albaner gingen dann in den drei großen Städten der Republik Serbien, in Belgrad, Novi Sad und Nis, Serben auf die Straße, zündeten Moscheen an und warfen Steine auch auf andere islamische Einrichtungen. In Belgrad gingen dabei auch Scheiben der US-Botschaft zu Bruch. Die Botschaft und das Konsulat Albaniens wurden vorsorglich geschlossen.
Die Nato hatte die Streitkräfte der Serben 1999 aus dem Kosovo vertrieben, um deren Angriffe auf die Albaner zu beenden. Die Serben werfen nun der Nato vor, dem "albanischen Terrorismus" nicht ausreichend Einhalt zu gebieten. Die Albaner sind im Kosovo in der Mehrheit und wollen eine Loslösung der Provinz von Serbien. Als Serben nach Kriegsende in den Kosovo zurückkehrten, wurden sie von Albanern angegriffen. Fünf Jahre nach dem Krieg geht zudem die Angst um, dass sich die Albaner aus Enttäuschung über die nicht erreichte Unabhängigkeit nun auch gegen ihre ehemaligen Retter wenden könnten.
Quelle: ntv.de