Politik

Krise in den Niederlanden Wilders lässt "AAA" wackeln

Mit seinen Anti-Islam-Parolen konnte Geert Wilders zuletzt nicht mehr punkten, nun setzt er sich als Kämpfer für die niederländischen Rentner in Szene. Seine Hoffnung: Mehr Mandate und ein Platz am Kabinettstisch. Das Risiko: Die niederländische Bestnote könnte fallen.

Mark Rutte auf dem Weg zu Königin Beatrix.

Mark Rutte auf dem Weg zu Königin Beatrix.

(Foto: REUTERS)

Nach dem Scheitern der niederländischen Regierung sehen Experten die Topbewertung des Landes bei der Kreditwürdigkeit in Gefahr. Die Regierung steht im Parlament ohne Mehrheit da, nachdem sie an einem Streit über Haushaltskürzungen zerbrochen war.

Nach Einschätzung der Analysten der Commerzbank und der Citigroup wackelt deshalb die Bestnote "AAA" für die Bonität des Euro-Landes. In der Euro-Zone halten neben den Niederlanden nur noch Deutschland, Finnland und Luxemburg diese Topbewertung der drei führenden Ratingagenturen.

Mit Blick auf die jüngste Entwicklung dürfte die Niederlande das angestrebte Ziel eines Haushaltsdefizits von 3,0 Prozent im kommenden Jahr verfehlen, hieß es in einer Studie der Commerzbank-Analysten. Die US-Ratingagentur Fitch hatte den Niederlanden mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit gedroht, falls das Land die geplanten Sparmaßnahmen nicht durchsetzen kann.

Anleger werden nervös

Auch an den Aktienmärkten sorgte die niederländische Regierungskrise für tiefe Verunsicherung. Anleger befürchteten, dass Europa vom Sparkurs abrücken könnte, zumal sich auch in Frankreich nach dem ersten Durchgang der Präsidentenwahl ein Machtwechsel andeutet.

Geert Wilders duldet die Regierung nicht länger.

Geert Wilders duldet die Regierung nicht länger.

(Foto: dpa)

Unterdessen reichte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte bei Königin Beatrix seinen Rücktritt ein. Sein rechtsliberal-christdemokratisches Kabinett bleibt vorläufig im Amt. Ob und wann es zu Neuwahlen kommt, sagte Rutte nach seinem Treffen mit der Königin nicht. Nach dem Rücktritt einer Regierung muss in den Niederlanden binnen 80 Tagen gewählt werden.

Am Wochenende waren Verhandlungen zwischen der Minderheitsregierung aus der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) und dem christdemokratischem CDA mit der Freiheitspartei (PVV) unerwartet gescheitert. Die PVV ist die Partei des Rechtspopulisten und Islam-Hassers Geert Wilders. Ohne ihn haben die Regierungsparteien nur noch gut ein Drittel der Mandate im niederländischen Parlament hinter sich. Es gilt als unwahrscheinlich, dass andere Parteien dem Sparpaket zustimmen. Die Niederlande haben bis zum 30. April Zeit, das Reformpaket in Brüssel vorzulegen.

EU pocht auf Sparkurs

Die EU-Kommission verlangt von den Niederlanden trotz der Regierungskrise weiter einen strikten Sparkurs. Das Land müsse die Obergrenze beim Haushaltsdefizit von drei Prozent auch nach einem möglichen Wechsel der Regierung einhalten, sagte ein Sprecher der Kommission: "Regierungen verpflichten sich im Namen von Staaten, deshalb sind Zusagen nicht an eine Regierung gebunden."

Die Minderheitsregierung des VVD-Politikers Rutte zerbrach nach genau 558 Tagen - selbst für niederländische Verhältnisse ist das recht kurz. Und doch hielt die Regierung erstaunlich lang, wenn man bedenkt, wie schmal ihrer parlamentarische Basis war: Mit den Stimmen der PVV kam die Koalition nur auf 76 der 150 Mandate - später, nach dem Fraktionsaustritt eines PVV-Abweichlers, nur noch auf 75.

Wilders will Minister werden

Als Wilders am vergangenen Freitag nach wochenlangem Tauziehen seine Unterstützung aufkündigte, tat er das offiziell aus Protest gegen die Sparpläne, mit denen Den Haag die Bedingungen des Eurofiskalpaktes erfüllen will. Um 14,2 Milliarden Euro aus dem Haushalt heraussparen zu können, wollte Rutte neben der Kürzung der Entwicklungshilfe, die Wilders begrüßte, die Mehrwertsteuer und die Krankenkassenbeiträge erhöhen und das Rentenalter auf 66 Jahre ab 2015 anheben.

Wilders, der mit seiner Anti-Islam-Rhetorik politisch schon lange nicht mehr richtig punkten kann, sah seine Chance: Er schlüpfte immer mehr in die Rolle des EU-feindlichen Vorkämpfers der sozial schwächeren, vor allem der Alten: Es könne nicht angehen, dass Hollands Rentner für die Fehlleistungen mächtiger Brüsseler Eurokraten "bluten müssen".

Beobachter sind sich einig, dass Wilders darauf setzt, in einer neuen Koalition nicht mehr nur die Rolle des ungeliebten Dritten zu spielen: Wilders will an den Kabinettstisch. Ein solcher Platz war ihm vor allem auf Druck der CDA versagt geblieben.

Schlüsselrolle für Sozialdemokraten

Einmal mehr steht damit die Frage im Raum, ob Wahlen in Zeiten der Eurokrise Populisten - linken wie möglicherweise demnächst in Griechenland oder rechten wie nun vielleicht in Holland - zur Macht verhelfen könnten. In den Niederlanden könnten dies wohl nur die Sozialdemokraten verhindern, wenn sie ihre Abneigung gegen ein Zusammengehen mit Ruttes Liberalen und den Christdemokraten aufgeben.

In einer nach dem Scheitern der Verhandlungen am Wochenende erstellten Umfrage konnte Ruttes Liberale Partei hinzugewinnen, ebenso wie die sozialdemokratische PvdA, die Euro-Rettungshilfen ablehnen. Der CDA und die Wilders-Partei fielen in der Erhebung von Meinungsforscher Maurice de Hond dagegen zurück. Eine große Mehrheit der Niederländer hält der Umfrage zufolge die Sparforderungen der Europäischen Union für übertrieben. Besonders die geplante Einführung einer Rezeptgebühr und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer stoßen auf Ablehnung.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/rts

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