Bidens Einladung abgelehnt Will Olena Selenska nicht neben Julia Nawalnaja sitzen?
06.03.2024, 16:18 Uhr
Olena Selenska (rechts) gemeinsam mit Jill Biden im September vergangenen Jahres in Washington.
(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)
Für US-Präsident Biden könnte es ein starkes Symbol sein: Die First Lady der Ukraine, Olena Selenska, und Nawalnys Witwe, die gemeinsam der Rede zur Lage der Nation lauschen. Allerdings will Selenska offenbar nicht kommen, was auch mit Julia Nawalnaja zu tun haben könnte.
Olena Selenska, die First Lady der Ukraine, hat eine Einladung des Weißen Hauses abgelehnt, an der Rede zur Lage der Nation am Donnerstag teilzunehmen. Dies berichtet die "Washington Post" unter Berufung auf Insider. Damit verzichte die Frau des ukrainischen Präsidenten auf eine der ehrwürdigsten Veranstaltungen Washingtons und unterstreiche zugleich die komplizierte politische Lage in ihrem vom Krieg zerrissenen Land.
Bei der Einladung, so heißt es in dem Bericht, sollte Selenska in der Nähe von Jill Biden, der Ehefrau von US-Präsident Joe Biden, sowie Julia Nawalnaja, der Witwe des in Lagerhaft gestorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny, sitzen. Das Bild von Selenska und Nawalnaja, die beide ein Symbol des Widerstands gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin sind, hätte eine eindrucksvolle Kulisse für Präsident Bidens Rede geboten.
Doch offenbar verursache eine mögliche Anwesenheit Nawalnajas den Ukrainern Unbehagen, heißt es in dem Bericht weiter. So nehmen diese Nawalny offenbar immer noch eine Äußerung übel, wonach die 2014 illegal annektierte Krim zu Russland gehöre. Dass Nawalny später die international anerkannten Grenzen der Ukraine von 1991 befürwortete, änderte an diesem Bild offenbar nichts mehr. "Während er im Westen immer als jemand galt, der tapfer und mutig gegen Putin gekämpft hat, wird Nawalny in der Ukraine als Anhänger des russischen Nationalismus und Imperialismus angesehen", zitiert die "Washington Post" Alina Poljakowa, Präsidentin der Denkfabrik Center for European Policy Analysis. "Nawalny war natürlich gegen die russische Invasion in der Ukraine, aber 2014, als Russland zum ersten Mal in die Ukraine einmarschierte, war er sehr auf einer Linie mit der allgemeinen russischen Sichtweise, die die Krim als Teil von Russlands historischem Land ansah", sagte Poljakowa.
Schon nach der Oscar-Verleihung für einen Dokumentarfilm über Nawalny im März 2023 waren die Ukrainer nicht gut auf Nawalnaja zu sprechen gewesen. In ihrer Dankesrede lobte sie den Mut ihres Mannes - erwähnte aber mit keiner Silbe den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Laut einem Bericht des "Kyiv Independent" bediente Nawalnaja mit dieser Auslassung die Erzählung von einer unschuldigen russischen Bevölkerung, die ein böser Diktator in Geiselhaft genommen habe.
Offiziell wurde all dies allerdings nicht als Grund für Selenskas Absage genannt. "Aufgrund von geplanten Veranstaltungen, darunter ein geplanter Besuch in Kiew mit Kindern aus einem Waisenhaus, wird die First Lady jedoch leider nicht an der Veranstaltung teilnehmen können", heißt es stattdessen.
Auch Nawalnaja kommt nicht
Allerdings lehnte es Nawalnaja ebenfalls ab, an Bidens Rede teilzunehmen. "Julia war tatsächlich eingeladen und hat ihre Teilnahme in Erwägung gezogen", sagte ihre Sprecherin Kira Jarmisch der "Washington Post". "Julias Mann ist vor zwei Wochen gestorben. Sie war die ganze Zeit auf Reisen. Heute ist der erste Tag, an dem sie überhaupt zu Hause ist. Wie jeder Mensch braucht sie Zeit, um sich zu erholen, und obwohl sie die Einladung sehr zu schätzen weiß, muss sie sich jetzt zumindest ein wenig erholen."
Laut der Zeitung erklärte ein US-Beamter, das Weiße Haus habe Kiew wahrscheinlich nicht darüber informiert, dass Nawalnaja sich gegen die Teilnahme entschieden habe. Dabei soll die Anwesenheit der Witwe des ehemals wichtigsten russischen Kremlgegners allerdings nicht die einzige Sorge der Ukrainer gewesen sein.
Eine weitere ist offenbar, dass Kiew nicht zu eng mit der Biden-Regierung in Verbindung gebracht werden möchte. Zwar ist Biden der wichtigste Fürsprecher der Ukraine, aber die Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj bemüht sich offenbar, eine zu klare Positionierung zu vermeiden. Als Selenskyj im Dezember nach Washington reiste, gab er sich große Mühe, die Hilfe für die Ukraine als parteiübergreifendes Anliegen darzustellen. "Er musste sich auf einem schmalen Grat bewegen, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass er Präsident Biden zu sehr unterstützt, obwohl er natürlich Bidens Agenda zur Bewaffnung und Ausrüstung der Ukraine befürwortete", so Poljakowa.
Kiew versucht derzeit verzweifelt, die Republikaner im Repräsentantenhaus dazu zu bewegen, eine Abstimmung über Bidens Antrag auf 60 Milliarden Dollar Hilfe zuzulassen - was der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump ablehnt. Der Ukraine geht die Artillerie gegen die besser ausgerüsteten russischen Streitkräfte aus und sie beginnt, strategisch wichtige Orte zu verlieren. Es werde erwartet, dass Biden in seiner Rede am Donnerstag die Republikaner im Repräsentantenhaus auffordern wird, die Finanzierung der Ukraine "so schnell wie möglich" zu verabschieden, schreibt die "Washington Post" unter Berufung auf einen Beamten des Weißen Hauses.
Quelle: ntv.de, ghö