Neue Steuerschätzung Wirklichkeit holt Wünsche ein
02.11.2009, 07:15 UhrDie neue Bundesregierung trifft auf die Realität: In dieser Woche steht die Steuerschätzung an. Große Spielräume für Steuersenkungen dürften sich nicht ergeben. SPD-Fraktionschef Steinmeier kritisiert die geplanten Entlastungen als "Hütchenspiel". Auch FDP-Landespolitiker werden derweil nervös. Finanzminister Schäuble erteilt einer grundlegenden Steuerreform bis 2013 eine Absage.
Die bevorstehende Steuerschätzung dürfte der schwarz-gelben Bundesregierung nur geringe Spielräume für ihre Steuersenkungspläne eröffnen. Trotz leichter wirtschaftlicher Erholung dürften die Einnahmen des Bundes im kommenden Jahr nur knapp 3,5 Milliarden Euro über den Schätzungen aus dem Mai liegen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung".
Das Blatt beruft sich auf Informationen aus den Reihen der Steuerschätzer. Im laufenden Jahr könne der Bund mit zusätzlichen Einnahmen von etwa zwei Milliarden Euro rechnen. Insgesamt würden die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden in den beiden Jahren etwa zehn Milliarden Euro über den bisherigen Annahmen liegen. Die Steuerschätzung wird an diesem Donnerstag vorgelegt.
Die neue Bundesregierung will durch Steuersenkungen im Gesamtumfang von 24 Milliarden Euro ab 2011 das Wachstum nach der Rezession ankurbeln. Im Gegenzug hofft sie auf sprudelnde Staatseinnahmen für den Abbau der horrenden Defizite.
"Hütchenspiel", "Wunschtraum"
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kritisierte das Vorhaben als "Hütchenspiel". Steuersenkungen würden sich allenfalls zu einem Drittel aus sich selbst heraus finanzieren. Alle weiteren Steuersenkungen würden dann schuldenfinanziert sein. Die Pläne der Koalition aus Union und FDP hätten wenig mit Steuerpolitik zu tun und seien mehr "Hütchenspiel", so Steinmeier in der ARD.
Der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Dieter Ondracek, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", es sei ein "Wunschtraum", dass Steuersenkungen automatisch zu Steuermehreinnahmen führten.
FDP-Landespolitiker werden nervös
Auch bei Union und FDP sind nicht alle Politiker von der Finanzierbarkeit der Wahlversprechen überzeugt. Mehrere Bundesländer, darunter das CDU-geführte Sachsen-Anhalt, erwägen eine Verfassungsklage gegen die geplanten Steuersenkungen. Sie fürchten Steuermindereinnahmen, Einbrüche in den Haushalten und einen Verstoß gegen die ab 2011 im Grundgesetz wirkende Schuldenbremse.
Der hessische FDP-Vorsitzende und stellvertretende Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn warnte im Streit um Steuersenkungen vor Belastungen der Länder. Dem "Tagesspiegel" sagte er, gebraucht werde zwar eine große Steuerreform; es könne aber nicht sein, dass alles zu Lasten der Länder gehe. Ähnlich hatte sich am Vortag der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki geäußert. Von der Bundesregierung forderte Hahn weitere Einsparungen. Wer eine Steuerreform wolle, müsse jetzt "mutig genug" sein, Einsparungen vorzunehmen.
Schäuble winkt ab
Einer grundlegenden Steuerreform hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bis 2013 eine Absage erteilt. Am Ende der Legislaturperiode werde es weder einen ausgeglichenen Haushalt noch ein grundlegend neues Einkommensteuersystem geben, sagte Schäuble dem "Handelsblatt". Bei allem, was die Bundesregierung zu bewältigen habe, sei nicht die Zeit dafür. Möglich seien lediglich begrenzte Korrekturen am Steuersystem.
Quelle: ntv.de, hvo/AFP/rts/dpa