Politik

Wieder eine Steuersenkungs-Debatte? Wirtschaftsflügel quält Merkel und Schäuble

Kein Geld für den Abbau der Kalten Progression, das sagen zumindest Angela Merkel und Wolfgang Schäuble.

Kein Geld für den Abbau der Kalten Progression, das sagen zumindest Angela Merkel und Wolfgang Schäuble.

(Foto: picture alliance / dpa)

Eigentlich war das Thema schon durch: Nachdem Finanzminister Schäuble und Kanzlerin Merkel den Abbau der Kalten Progression aufgeschoben haben, herrschte Ruhe in der Union. Bis jetzt.

Es ist ein kleiner Aufstand der Wirtschaftsliberalen in der Union. Während die Parteiführung für Steuersenkungen keine Möglichkeit sieht, fordert die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung den Abbau der Kalten Progression. Noch in dieser Legislaturperiode.

Kalte Progression

Steigen die Einkommen von Arbeitnehmern, müssen sie das zusätzliche Gehalt unter Umständen mit einem höheren Prozentsatz versteuern als das bisherige Gehalt. Ab dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent für Jahreseinkommen ab knapp 53.000 Euro steigt der Steuersatz mit zusätzlichem Einkommen nicht weiter an (einzige Ausnahme ist die "Reichensteuer"). Diese sogenannte Progression im Steuertarif soll dafür sorgen, dass auf stärkeren Schultern mehr lastet als auf schwächeren.

Gleichen Gehaltserhöhungen jedoch lediglich die Inflation aus, steigt dadurch die Steuerbelastung, obwohl die Kaufkraft gleich bleibt. Diese wachsende Steuerbelastung nennt man Kalte Progression.

"Wir müssen den Steuerzahlern zurückgeben, was ihnen gehört", heißt es in der sogenannten Potsdamer Erklärung, die der Vorstand der Vereinigung an diesem Freitag beschlossen hat. CDU- und CSU-Politiker fordern darin eine "Kehrtwende in den Köpfen der politischen Verantwortungsträger". In dem zweiseitigen Papier heißt es auch, dass sich der parteiinterne Wirtschaftsflügel auf dem Bundesparteitag der CDU im Dezember für den Stopp der Kalten Progression stark machen will.

Um die Kalte Progression abzubauen, fordert er, alle künftigen finanziellen Spielräume - sei es durch zusätzliche Steuermehreinnahmen oder den Subventionsabbau - dafür einzusetzen, den Grundfreibetrag und den Eckwert beim Spitzensteuersatz an die Inflation anzupassen.

"Der Griff des Staates ins Portemonnaie der Bürger muss gestoppt werden", sagte der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, zu n-tv.de. Die Anpassung an die Inflation müsse automatisch erfolgen und dürfe nur in Notfällen vom Bundestag ausgesetzt werden. "Wir wollen unser Konzept zur Steuerbremse auf dem CDU-Parteitag im Dezember in Köln zur Abstimmung stellen. Wir erwarten, dass das noch in dieser dieser Legislatur in Kraft tritt."

Für den Staat ist die Kalte Progression bequem

Die Kalte Progression ist ein Phänomen im deutschen Steuersystem, das seit Jahren in der Kritik steht. Bekommt ein Arbeitnehmer eine moderate Lohnerhöhung, kann es passieren, dass sich die Lohnerhöhung durch den progressiven Verlauf der Steuerkurve und die Inflation für ihn nicht rechnet. Mitunter kann sein Realeinkommen nach der Lohnerhöhung sogar niedriger ausfallen. Für den Staat ist das äußerst bequem. Die Kalte Progression sorgt für stetig wachsende Steuereinnahmen. Sie gilt aber als ausgesprochen ungerecht. Vor allem da Spitzenverdiener, die entsprechend den Spitzensteuersatz zahlen, nicht betroffen sind.

Nicht nur die Mittelstandsvereinigung, eigentlich will die ganze Union schon seit langem gegen das Phänomen vorgehen. Derzeit ist laut Finanzminister Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel aber kein Geld dafür da. Priorität haben für sie ein ausgeglichener Haushalt und der Schuldenabbau. "Das sind ehrgeizige Ziele, wenn wir gleichzeitig wichtige Zukunftsinvestitionen tätigen wollen", sagte Kanzlerin Merkel gerade der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Darüber hinaus sehe sie derzeit keine finanziellen Spielräume.

Das Phänomen der Kalten Progression zu verhindern, kostet Berechnungen zufolge mehr als sechs Milliarden Euro pro Jahr.

Schon vor ein paar Tagen keimte eine Debatte über den Abbau der Kalten Progression auf. Der Kreis der Steuerschätzer zeigte auf, dass dank der guten Konjunktur mit Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe zu rechnen ist. Mit der Rente mit 63, der Mütterrente und dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts hat die Regierung aber schon eine ganze Reihe teurer Großprojekte. Die Debatte schien beendet. Bis jetzt.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen