Politik

Mindestlohn-Plan "unsinnig" Wirtschaftsinstitut warnt

Der Vorstoß von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) für flächendeckende Mindestlöhne gefährdet nach Ansicht des Instituts der Deutschen Wirtschaft bis zu vier Millionen Jobs in Deutschland. Der Plan sei "ökonomisch und sozialpolitisch unsinnig", sagte der Direktor des arbeitgebernahen Kölner Instituts, Michael Hüther, in der "Bild am Sonntag". CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nannte eine Größenordnung von etwa einer Million Arbeitsplätzen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erteilte auf einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in Hessen den SPD-Forderungen erneut eine Absage erteilt. Eine einheitliche Lohnuntergrenze sei kein Weg zu einer fairen Bezahlung, weil sie Arbeitsplätze gefährde, sagte sie in Wetzlar. "Ich möchte nicht, dass Menschen wegen eines einheitlichen, flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohns ihre Arbeit verlieren", fügte sie hinzu.

Hüther erläuterte, Mindestlöhne würden zahlreichen Geringverdienern, die ihren Lohn mit Arbeitslosengeld II aufstocken, gar nichts bringen. "Viele Arbeitnehmer erhalten ergänzend ALG II nur deshalb, weil sie Kinder haben und somit höhere Ansprüche. Um dies zu vermeiden, bräuchte man Mindestlöhne von deutlich über 10 Euro - mit noch schlimmeren Folgen." Schon eine bundesweite Lohnuntergrenze von 7,50 Euro würde bei 11 Prozent aller Beschäftigten zu Lohnerhöhungen führen. Das gefährde bis zu vier Millionen Arbeitsplätze, vor allem für Geringqualifizierte, warnte Hüther.

Scholz dagegen will nicht lockerlassen: "Ich will, dass alle Bürger vor Dumpinglöhnen geschützt sind." Die SPD erwartet, dass es über das Entsendegesetz bald in zehn oder mehr weiteren Branchen Mindestlöhne geben könnte. "Es gibt Branchen, wo weit und breit kein Arbeitgeberverband und keine Gewerkschaft die Beschäftigten vor schlimmster Ausbeutung schützen. Da müssen wir etwas tun", sagte Scholz der "Berliner Zeitung". Er verschickte an seine Ministerkollegen einen Gesetzentwurf, der Lohnuntergrenzen in allen Branchen ermöglichen soll. Nach Informationen des "Spiegel" will Scholz es Arbeitgebern und Gewerkschaften künftig wesentlich leichter machen als bisher, branchenbezogene Mindestlöhne zu vereinbaren.

Dies gehe aus dem Entwurf des neuen Entsendegesetzes hervor. Danach würde es künftig ausreichen, wenn in der Branche, die einen Antrag auf Einführung von Mindestlöhnen stellt, für 50 Prozent der Beschäftigten Haus- oder Flächentarifverträge gelten. Bislang lautete die Voraussetzung, dass der den Mindestlohn betreffende Tarifvertrag die Hälfte der Beschäftigten erfassen muss. Auch wird das über 50 Jahre alte Mindestarbeitsbedingungengesetz überarbeitet. Letzteres soll in Branchen greifen, in denen nicht genug Arbeitnehmer über Tarifverträge erfasst sind und daher das Entsendegesetz nicht anwendbar ist, um Mindestlöhne für allgemeinverbindlich zu erklären.

"Weg in die Planwirtschaft"

Vor Weihnachten war nach monatelangem Koalitionsstreit die Postbranche in das Entsendegesetz aufgenommen worden. Damit gilt seit Jahresbeginn für Briefzusteller eine Lohnuntergrenze von 8,00 bis 9,80 Euro. Mit dem seit 1996 geltenden Arbeitnehmer-Entsendegesetz sollen gleiche Lohn-, Arbeits- und Sozialbedingungen für alle Beschäftigten in einer Branche - auch für Arbeitskräfte aus dem Ausland - sichergestellt werden.

Die Union hält die Mindestlohn-Pläne der SPD für "utopisch". "Bis jetzt hat sich noch keine einzige Branche schriftlich im Arbeitsministerium gemeldet", sagte der Mittelstandsexperte der CDU/CSU-Fraktion, Michael Fuchs, in einem dpa-Gespräch. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Laurenz Meyer (CDU), sagte: "Durch das Arbeitslosengeld II haben wir bereits eine Lohnuntergrenze. Wenn der Staat Löhne festsetzt, ist das der Weg in die Planwirtschaft."

Die FDP warnte vor einer staatlichen Festsetzung von Mindestlöhnen. "Das ist absolut unvernünftig. Es ist nicht nur falsch, es ist einfach dumm, so zu agieren", sagte der FDP- Finanzexperte Hermann Otto Solms im Deutschlandradio. Nach Ansicht der Linken ist ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn über acht Euro die Lösung gegen "Dumpinglöhne". "Die von Scholz angekündigte Aufnahme von zehn oder mehr Branchen in das Entsendegesetz wird ein Bürokratiemonster", sagte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch.

Die Partei der Europäischen Linken mit Vorsitzendem Lothar Bisky verlangte einen europaweiten Mindestlohn. In Übereinstimmung mit der europäischen Sozialcharta verlangt die Organisation für jene Länder, in denen es noch keinen Mindestlohn gibt, mindestens 50 Prozent des Durchschnittseinkommens des jeweiligen Landes. Den Angaben zufolge gibt es 20 der 27 EU-Staaten bereits gesetzliche Mindestlöhne.

Quelle: ntv.de

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