Politik

Gerüchte schießen ins Kraut Wo ist Chinas "Thronfolger"?

Unfall oder gesundheitliche Probleme? Xi Jingping ist verschwunden.

Unfall oder gesundheitliche Probleme? Xi Jingping ist verschwunden.

(Foto: dpa)

Kurz vor dem geplanten Machtwechsel in der chinesischen Staats- und Parteiführung ist die Hauptperson verschwunden: der als "Thronfolger" gehandelte Xi Jinping. Die Behörden schweigen eisern. Dafür kocht im Internet die Gerüchteküche. Die Entmachtung des Spitzenpolitikers Bo Xilai ist schließlich noch nicht lange her.

In wenigen Wochen dürfte Xi Jinping Chef der Kommunistischen Partei Chinas werden, im März wohl sogar Staatspräsident - doch seit mehreren Tagen schon ist der bisherige Vizepräsident von der Bildfläche verschwunden. Entsprechend sprießen die Spekulationen über den Verbleib des treuen Parteikaders. Die Regierung aber will sich nicht äußern - und die chinesische Internetzensur tut alles, um Diskussionen über das Schicksal Xis einzuschränken.

Angela Merkel hatte ihn Ende August immerhin noch getroffen.

Angela Merkel hatte ihn Ende August immerhin noch getroffen.

(Foto: AP)

Vier Termine Xis mit ausländischen Staatsgästen sagte die Regierung zuletzt ohne Begründung ab. Betroffen waren unter anderem US-Außenministerin Hillary Clinton und die dänische Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt. Nach dem Verbleib des Vizepräsidenten gefragt, forderte der Sprecher des Außenministeriums in Peking die internationalen Journalisten auf, doch bitte "ernsthafte Fragen" zu stellen.

Chinesische Internetmedien spekulieren in dieser Situation über eine Krankheit oder einen leichten Unfall Xis. Willy Lam von der Chinesischen Universität in Hongkong verweist darauf, dass die Gesundheit der Führungsriege in China "als Staatsgeheimnis behandelt wird". Der Direktor des in Peking basierten Zentrums für Chinastudien der Universität von Indiana, Scott Kennedy, geht davon aus, die Angelegenheit sei "vielleicht eher langweilig als dramatisch". "Aber der Mangel an Transparenz dramatisiert sie einfach."

Behörden zensieren Internet

Die Internetsuche nach "Xi" und dem Wort "Rückenschmerzen" - dies ist eine der Spekulationen um den Vizepräsidenten - blockierte derweil die chinesische Zensur. Die Nutzer des Twitter-ähnlichen Kurzbotschaften-Dienstes Sina Weibo wichen daher auf Synonyme aus: Sie schrieben über den "Kronzprinzen" oder nutzten das englische Personalpronomen "she", das ähnlich ausgesprochen wird.

Der Skandal um Gu Kailai und ihren Mann Bo Xilai hatte die Kommunistische Partei erschüttert.

Der Skandal um Gu Kailai und ihren Mann Bo Xilai hatte die Kommunistische Partei erschüttert.

(Foto: AP)

Den britischen Sender BBC wiederum schalteten die Behörden ab, kurz nachdem er über die Abwesenheit Xis berichtet hatte. Die chinesischen Staatsmedien hingegen verlieren über den Vizepräsidenten derzeit kein Wort. Stattdessen beschäftigen sie sich ausführlich mit dem diplomatischen Streit der Volksrepublik mit Japan um eine unbewohnte Inselgruppe. Im Internet wird spekuliert, dieser Streit solle von den Diskussionen um Xi ablenken.

Xi war schon seit längerem als wahrscheinlicher künftiger Partei- und Staatschef der Volksrepublik gesetzt. Der 59-jährige Spross einer einflussreichen Politikerdynastie besuchte die Qinghua-Universität in Peking, eine bekannte Kaderschmiede. Anschließend nahm er den klassischen Parteiweg über die Provinzen. Seit Oktober 2007 gehört er dem einflussreichen Ständigen Komitee des Politbüros an, 2008 wurde er zum Vizepräsidenten gekürt. Eine seiner größten Bewährungsproben bestand der Kronprinz mit der erfolgreichen Organisation der Olympischen Spiele in Peking 2008.

"Ich denke, es ist ein Gesundheitsproblem"

Am 30. August traf Bundeskanzlerin Angela Merkel Xi im Rahmen ihrer Reise in die Volksrepublik. Die deutsche Regierungschefin hatte dabei einen positiven Eindruck vom mutmaßlichen künftigen starken Mann Chinas. Sie war offenbar der letzte ausländische Staatsgast, der Xi traf. Nur zwei Tage später, am 1. September, wurde Xi zuletzt öffentlich gesehen, als er eine Rede an einer der wichtigsten kommunistischen Parteischulen in Peking hielt.

Der China-Experte Kennedy geht derweil davon aus, dass Xi schon bald wieder auftauchen wird - ohne jede Erklärung zu seiner Abwesenheit. "Ich denke, es ist ein Gesundheitsproblem", sagt er. "Wäre es aber lebensbedrohlich, würde der Rest der Führung nicht ihrem Tagesgeschäft nachgehen oder internationale Reisen unternehmen." Bald werde wohl ein Foto Xis veröffentlicht, "bei einem Empfang, beim Besuch einer Fabrik, eines Krankenhauses oder ähnliches."

Quelle: ntv.de, Carol Huang, AFP

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