EHEC-Kompetenzchaos Zahlreiche Behörden suchen Erreger
07.06.2011, 15:27 UhrDer Feind ist klar, doch die Truppen marschieren nicht immer im Gleichschritt: Im Zusammenhang mit der Suche nach der Quelle der EHEC-Epidemie steht die Kompetenzverteilung zwischen Ministerien und Behörden zunehmend in der Kritik. Nicht nur die Opposition, auch Ärzte und EU-Abgeordnete monieren das Krisenmanagement in Deutschland.
Eine zentrale Informationsstelle zu EHEC gibt es nicht, weshalb in diesen Tagen bei der Krisenkommunikation auch nicht mit einer Stimme gesprochen wird. Mal melden sich die Gesundheitsbehörden oder Verbraucherschutzminister in den Ländern zu Wort, dann wieder treten wissenschaftliche und beratende Bundesinstitute gleich im Doppelpack auf Pressekonferenzen auf. Daneben betätigen sich , in deren Haus ein Krisenstab arbeitet, und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), der sich mit Mundschutz und Kittel im Hamburger Uniklinikum zeigte, als Krisenmanager.
Die Zuständigkeiten sind tatsächlich schwer zu durchblicken. Am Anfang der Kette stehen zunächst einmal Ärzte, Krankenhäuser und Labore. Sie müssen EHEC-Infektionen umgehend an die örtliche Gesundheitsbehörde melden, die dann Kontrollen und Probenentnahmen in die Wege leitet. Alle gesundheitlichen Aspekte wie die Zahl der Krankheits- oder Todesfälle laufen in den Gesundheitsbehörden der Länder zusammen - in Niedersachsen zum Beispiel im Landesgesundheitsamt und im Gesundheitsministerium.
Viele Daten, viele Fragen
Die Länder melden ihre Daten und Informationen an das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin, das dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt ist und dieses auch berät. Die RKI-Experten beobachten die Ausbreitung von Infektionen und unterstützen - wie im Fall EHEC - auch die Landesbehörden bei der Suche nach dem Erreger, indem sie zum Beispiel EHEC-Infizierte vor Ort zu ihrem Essverhalten befragen.
Fest eingebunden in die Suche nach der Infektionsquelle ist auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das wiederum dem Bundesministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz unterstellt ist und unter anderem für Fragen der Lebensmittel- und Produktsicherheit zuständig ist. In der EHEC-Krise vermischen sich allerdings die Kompetenzen, so dass zum Beispiel nicht nur das für Verzehrempfehlungen zuständige BfR vor rohen Gurken, Tomaten und Salat warnte, sondern auch das RKI.
Verwirrende Informationen
Es war letztlich jedoch keine Bundesbehörde, sondern die Hamburger Gesundheitsbehörde, die im Mai mitteilte, Salatgurken aus Spanien seien "eindeutig" als der Träger des EHEC-Typs identifiziert, der die zahlreichen Erkrankungen auslöste. Wenige Tage später folgte das Dementi, was bei den Verbrauchern für zusätzliche Verwirrung sorgte. Am vergangenen Wochenende wiederum riet nun Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) vorsorglich vom Verzehr von Gemüsesprossen ab, nachdem ein Hof im Landkreis Uelzen unter EHEC-Verdacht geriet. Auch dieser Verdacht hat sich bislang nicht bestätigt.
Wegen dieses Behördenwirrwarrs sei wertvolle Zeit bei der Suche nach der Erregerquelle verloren gegangen, beklagen Kritiker wie die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. "Man kann nicht darauf warten, dass die Experten irgendwann miteinander telefoniert haben", sagt sie. Auch Verbraucherschützer fordern klarere Strukturen in der Risikokommunikation. Es sei "ein bisschen unglücklich", wenn etwa einzelne Landesminister mit Befunden "vorpreschen", meint Stefan Etgeton vom Bundesverband der Verbraucherzentralen, der sich eine stärkere Rolle des RKI wünscht.
Immerhin gibt es seit Freitag eine "Task Force" zur EHEC-Krise, die die Arbeit zwischen den Behörden auf Länder- und Bundesebene koordinieren soll. Die Arbeitsgruppe ist - und hier kommt eine weitere Behörde ins Spiel - beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Verbrauchersicherheit (BVL) angesiedelt.
Quelle: ntv.de, dpa