Politik

Stuttgart 21 Zehntausende auf der Straße

Und wieder gehen Zehntausende gegen das unterirdische Bahnhofsprojekt auf die Straße.

Und wieder gehen Zehntausende gegen das unterirdische Bahnhofsprojekt auf die Straße.

(Foto: dpa)

Erst der Baustopp, dann die Gespräche - Zehntausende Menschen gehen mit dieser Forderung gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 erneut auf die Straße. Schlichter Geißler gibt sich nach Irritationen über seine Äußerungen optimistisch für erste Gespräche. Landesbischof July bringt derweil kirchliche Hilfe ins Spiel. Ministerpräsident Mappus hält an S21 fest, will aber mit den Gegnern darüber reden.

Der Protest wächst weiter: 55.000 Menschen haben nach Schätzungen der Polizei erneut gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 in der baden-württembergischen Landeshauptstadt protestiert. Die Veranstalter sprachen von 90.000 bis 100.000 Teilnehmern. Friedlich und lautstark forderten sie "Oben bleiben!" und auf den Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) gemünzt: "Mappus weg!". Die Demonstration stand unter dem Motto "Sofort Baustopp - dann Gespräche!".

Die Frage nach dem Polizeieinsatz mit Wasserwerfern und Pfefferspray bleibt.

Die Frage nach dem Polizeieinsatz mit Wasserwerfern und Pfefferspray bleibt.

(Foto: dpa)

Auf Fahnen und Transparenten übten sie bei der bislang größten Protestaktion auch Kritik am harten Vorgehen der Polizei am 30. September. Auf einer zweiten Route fuhren nach Veranstalterangaben rund 1000 Radfahrer und Inline-Skater durch die Innenstadt. Dass mit dem früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler ein Vermittler gefunden wurde, erfüllt einige Abrissgegner mit Hoffnung.

Geißler selbst denkt trotz des Gezerres um einen Baustopp und der sprachlichen Verwirrungen nicht daran, seinen Job aufzugeben. Er halte seine Mission weiter für erfolgversprechend, sagte der CDU-Politiker. "Beide Seiten sind einverstanden gewesen, dass ich die Schlichtung übernehme." Er werde seine Pflicht erfüllen.

Hat er eine echte Chance auf Erfolg? Heiner Geißler will so schnell nicht aufgeben.

Hat er eine echte Chance auf Erfolg? Heiner Geißler will so schnell nicht aufgeben.

(Foto: dpa)

Die umstrittene Frage, wie umfassend der Baustopp bei dem Bahnprojekt während der Vermittlung sein muss, will Geißler in der kommenden Woche mit dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 besprechen. Ministerpräsident Mappus bot den Gegnern des Bahnprojekts zusätzlich zur Schlichtung mehrere Informations- und Gesprächsforen an. Am Projekt hält er aber fest.

Kirchen wollen schlichten

Der württembergische Landesbischof Frank Otfried July schlug vor, die Kirchen in die Schlichtung mit einzubeziehen. "Die Regierung darf die Proteste nicht aussitzen wollen, sondern muss die Ängste und Fragen der Menschen ernst nehmen", sagte de evangelische Landesbischof dem "Hamburger Abendblatt".

Auch Radfahrer und Inline-Skater rollen gegen S21 an.

Auch Radfahrer und Inline-Skater rollen gegen S21 an.

(Foto: dapd)

In einem offenen Brief in der "Stuttgarter Zeitung" meinte Mappus, alle Seiten sollten in Informations- und Gesprächsforen über konkrete Einzelfragen diskutieren, etwa den Schutz der Stuttgarter Mineralquellen, die Kostenfrage, Optimierungen im künftigen Nahverkehr, das Baustellenmanagement und den Anwohnerschutz. Der "Wirtschaftswoche" sagte Mappus, Stuttgart 21 sei "Richtungsentscheid für die Republik".

FDP-Generalsekretär Christian Lindner warnte die Politik vor einem Zurückweichen vor den Protesten gegen Stuttgart 21 und lehnte einen Baustopp strikt ab. "Demokratie und Rechtsstaat dürfen nicht vor solchen stimmungsdemokratischen Eruptionen zurückweichen", sagte er der "Bild am Sonntag". Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel erklärte in der "Stuttgarter Zeitung", es gebe in der SPD viele, die nicht mehr an die Bezahlbarkeit des Projektes glaubten.

"Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß"

Der 80-jährige Geißler zeigte sich trotz der verhärteten Fronten in dieser Frage optimistisch, dass es Ende kommender Woche zu einem ersten Schlichtungsgespräch kommt. "Ich habe mit beiden Seiten geredet. Es ist das ehrliche Bestreben vorhanden, dass wir eine Sach- und Fachschlichtung durchführen." Dies werde zu einer Beruhigung der aufgeheizten Atmosphäre in Stuttgart führen. "Es wird ein Weg der Befriedung sein. Den will ich gehen - und der kann auch gelingen." Wie eine Lösung aussehen könne, wisse er noch nicht. Aber: "Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß."

Der alte Bahnhof über der Erde soll abgerissen werden und einem modernen unter der Erde weichen.

Der alte Bahnhof über der Erde soll abgerissen werden und einem modernen unter der Erde weichen.

(Foto: dapd)

Der erfahrene Tarifschlichter hatte am Donnerstag für Irritationen gesorgt, weil er gesagt hatte: "Es dürfen keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, während wir verhandeln." Das hatten Befürworter und Gegner als kompletten Baustopp während der Schlichtung verstanden. Daraufhin hatte Ministerpräsident Mappus, der Geißler berufen hatte, die Äußerung des Vermittlers dementiert.

Geißler schwenkt auf Mappus-Linie

Am Freitag erklärten Mappus und Geißler dann gemeinsam, der Großteil der Bauarbeiten werde ausgesetzt - nur die bereits begonnene oberirdische Verlegung von Rohren für die Regulierung des Grundwassers bei dem geplanten Tiefbahnhof gehe weiter. Die Projektgegner machen weiterhin den kompletten Baustopp zur Bedingung für die Teilnahme an den Vermittlungsgespräche.

"Es muss Schluss sein mit der babylonischen Sprachverwirrung", fordert die Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Birgit Homburger in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" . Es dürfe nun keine weitere Verunsicherung durch Kommunikationspannen mehr geben.

Grüne im Höhenflug

Der wochenlange Konflikt um das Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21 beschert den Grünen in Baden-Württemberg in Umfragen einen neuen Spitzenwert. Laut einer Befragung des Instituts TNS Forschung im Auftrag des Magazins "Der Spiegel" würde die Oppositionspartei auf 32 Prozent kommen, wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl wäre. Zwei Drittel der Befragten sprachen sich für eine Volksabstimmung über das umstrittene Bahnprojekt aus.

Quelle: ntv.de, dpa

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