USA bereiten sich vor Zeitfenster für Angriff ist eng
28.08.2013, 14:00 Uhr
Die Welt spricht vom Giftgasangriff, das tägliche konventionelle Töten geht in Syrien unterdessen weiter.
(Foto: AP)
In den USA und Großbritannien laufen die politischen und militärischen Vorbereitungen für einen Militärschlag gegen Syrien. Mit einem Vorstoß im UN-Sicherheitsrat will der britische Premier Cameron sich die Unterstützung der Opposition im Unterhaus sichern. So umstritten der Angriffsplan ist: Viel bewirken würde er wohl nicht.
Die USA und Großbritannien stehen offenbar kurz vor einem Militärschlag gegen Syrien. Vermutlich an diesem Donnerstag will die Regierung von US-Präsident Barack Obama Beweise vorlegen, die zeigen sollen, dass der syrische Machthaber Baschar al-Assad verantwortlich für den mutmaßlichen Giftgasangriff in der Nähe von Damaskus ist.
Derzeit arbeitet das Büro von US-Geheimdienstchef James R. Clapper an einem Bericht, der die Beweise bündeln soll. Dieser Bericht sei "einer der letzten Schritte" der Regierung, bevor Obama über einen Militärschlag entscheide, schreibt die "Washington Post", die zugleich darauf hinweist, dass ein solcher Schlag "so gut wie unvermeidlich" erscheint.
Die US-Armee hat bereits vier Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer zusammengezogen, von denen aus Raketen auf Syrien abgefeuert werden könnten. Wann Obama den Angriff befiehlt, hängt von mehreren Faktoren ab:
- Zu Beginn der Militärschläge will Obama sich aller Voraussicht nach in den USA aufhalten. Doch schon am kommenden Dienstag, am 3. September, bricht der Präsident zu einem Besuch in Schweden auf. Unmittelbar danach, am 5. und 6. September, nimmt er am G20-Gipfel in St. Petersburg teil.
- Zu bedenken ist jedoch die Sicherheit der UN-Waffeninspekteure, die sich noch immer in Syrien befinden. Die USA interessieren sich zwar nicht mehr für die Ergebnisse ihrer Arbeit. Dennoch dürfte Obama vor einem Angriff abwarten, bis die Inspekteure das Land verlassen haben. Am Dienstag hatten sie nach Beschuss durch Scharfschützen eine Fahrt abgebrochen, am Mittwoch waren sie laut Nachrichtensender Al-Arabija in dem Dorf Al-Mleiha unterwegs. Die Genehmigung, die die syrische Regierung dem Team erteilt hat, läuft an diesem Sonntag ab.
Die Zeitspanne für einen Militärschlag liegt damit entweder zwischen dem kommenden Sonntag und Dienstag oder nach dem Gipfel in St. Petersburg. Wladimir Jewsejew, der Direktor des russischen Zentrums für gesellschaftspolitische Studien, bezweifelte am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Moskau, dass die USA vor dem Gipfel einen Militärschlag gegen Syrien führen werden.
Allerdings hat das russische Zivilschutzministerium bereits damit begonnen, Russen aus Syrien auszufliegen. Und tatsächlich ist durchaus denkbar, dass Militärschläge vor dem G20-Gipfel geführt werden: Dann könnte Obama in St. Petersburg versuchen, die Scherben zusammenzukehren und einen Neuanfang der Syrien-Diplomatie zu versuchen.
"Wir können loslegen"
US-Verteidigungsminister Chuck Hagel sagte am Dienstag der BBC: "Wir sind vorbereitet." Die Armee sei in der Lage, jedweder Anordnung des Präsidenten Folge zu leisten. "Wir können loslegen." Ein paar Tage dürfte Obama jedoch verstreichen lassen, um Öffentlichkeit und Kongress von seinen Beweisen zu überzeugen. Auch in den USA erinnert man sich noch gut an den Auftritt von Colin Powell im UN-Sicherheitsrat im Februar 2003, wo er "Beweise" für die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak präsentierte, die nie gefunden wurden.
In Großbritannien hat der britische Premierminister David Cameron für diesen Donnerstag das Unterhaus zusammengerufen, um die geplanten Militärschläge zu debattieren. Um die Stimmen der Labour-Opposition zu gewinnen, will Cameron noch an diesem Mittwoch einen Resolutionsentwurf zu Syrien vorlegen. Darin sollen "alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten vor Chemiewaffen" autorisiert werden. Bislang haben die ständigen Sicherheitsratsmitglieder Russland und China noch jede Resolution verhindert, die sich gegen das Assad-Regime richtete.
US-Regierung sieht "nationale Sicherheit" bedroht
Obama hat es leichter als Cameron, er geht davon aus, dass der US-Kongress lediglich informiert, nicht aber gefragt werden muss. Diese Rechtsauffassung ist umstritten: Der "Guardian"-Journalist Gleen Greenwald hat darauf hingewiesen, dass Obama als Präsidentschaftskandidat selbst noch gesagt hatte, dass der Präsident Militärschläge nicht autorisieren dürfe, wenn die Nation nicht "unmittelbar" bedroht sei. Diese Position hatte Obama allerdings schon aufgegeben, als die USA sich 2011 an Luftangriffen auf Libyen beteiligten. Jetzt sagte Präsidentensprecher Jay Carney, das Unterlassen einer Reaktion auf den Einsatz von Chemiewaffen würde eine "Bedrohung der nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten" darstellen - eine Formulierung, mit der die Obama-Regierung offenbar den rechtlichen Rahmen definieren will.
Auf Obama gibt es Druck von zwei Seiten. Vor allem UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon warnt vor Aktionismus. "Hört auf zu handeln und fangt an zu verhandeln", sagte er an die Adresse des UN-Sicherheitsrats. "Je länger man wartet, desto bedeutungsloser wird es", sagte dagegen Barry Paval, der als Sicherheitsberater für Ex-Präsident George W. Bush
"Viel ändern Militärschläge nicht"
Ein offener Punkt ist, welches Ziel ein Militärschlag verfolgen soll. "Regime Change", also die Installierung einer womöglich noch demokratischen Regierung, kommt als Plan nicht infrage, da es ein dauerhaftes Engagement voraussetzen würde. Eine Vernichtung der Chemiewaffendepots ist nicht möglich, ohne Giftgas freizusetzen - die Lager für diese Kampfstoffe befinden sich jedoch zum Teil in Wohngegenden. Selbst eine nachhaltige Schwächung der syrischen Armee gilt als unwahrscheinliches Motiv. Bisherige Äußerungen seitens der US-Regierung deuten eher darauf hin, dass es um Vergeltung für den Einsatz von Chemiewaffen geht.
"Die gängige Auffassung ist, dass sie ein paar Tomahawk-Raketen von den Zerstörern im östlichen Mittelmeer abfeuern werden", sagte der ehemalige Diplomat Ryan Crocker, von 1998 bis 2001 US-Botschafter in Syrien. "Das wird den Verlauf der Ereignisse in Syrien nicht dramatisch verändern."
Quelle: ntv.de