Politik

Erfahren, akribisch und ein bisschen cholerisch Zschäpes Richter ist ein harter Hund

Götzl im Februar in seinem Münchner Arbeitszimmer.

Götzl im Februar in seinem Münchner Arbeitszimmer.

(Foto: picture alliance / dpa)

Fünf Richter werden am Ende die Urteile im NSU-Prozess sprechen. Vier beigeordnete Richter und der Vorsitzende Richter Manfred Götzl. Er hat in dem Jahrhundert-Prozess eine besonders wichtige Rolle und bereits einige Fehler gemacht.

Als Manfred Götzl im Juli 2010 den für Terrorismus-Verfahren zuständigen sechsten Senat des Oberlandesgerichts in München übernimmt, weiß Deutschland noch nichts vom NSU. Die rechtsradikale Terrorgruppe lebt im Untergrund, ebenso verzweifelt wie schließlich erfolglos versuchen Ermittler in verschiedenen Bundesländern, die scheinbar nicht miteinander in Zusammenhang stehenden Morde an Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln aufzuklären.

Götzl verhandelt unter anderem gegen acht Helfer der "deutschen Sektion" des Propagandanetzwerks "Globale Islamische Medienfront". Politisch heikle Verfahren sind ihm nicht fremd. Doch dann fliegt 2011 der NSU auf. Fünf der zehn Morde, für die die rechtsextremistische Terrorgruppe verantwortlich gemacht wird, wurden in Bayern verübt, deshalb bekommt der 6. Strafsenat des OLG München den Prozess und mit ihm Götzl.

Komplizierte Verfahren, harte Urteile

Der 59 Jahre alte Franke hat in langen Jahren als Vorsitzender eines Schwurgerichts reichlich Erfahrungen mit schwierigen Prozessen gesammelt. 2005 verurteilte er den Mörder des Modezaren Rudolph Moshammer zu lebenslanger Haft. 2009 sorgte er mit einer lebenslangen Haftstrafe gegen den damals 90-jährigen Ex-Wehrmachtsoffizier Josef Scheungraber für Aufsehen. Zeugen hatten sich nur vage an die Vorgänge rund um das Massaker 1944 an italienischen Zivilisten erinnert; die Verteidigung hatte Freispruch verlangt. Götzls Entscheidungen hatten fast immer Bestand: In sieben Jahren als Vorsitzender des Schwurgerichts kassierte der Bundesgerichtshof nur ein einziges seiner Urteile. Dabei urteilte Götzl oft hart, häufig verhängte er die Höchststrafe: lebenslang.

Der nach seinen juristischen Anfängen in den 80er Jahren als Staatsanwalt bald ins Richteramt gewechselte Götzl ist nicht nur einer der erfahrensten Münchner Richter. Der verheiratete Vater von zwei erwachsenen Kindern zeigte in der Vergangenheit und auch jetzt wieder, dass er sich in seiner Arbeit von äußerem Druck nicht beirren lässt. Er scheut die Öffentlichkeit. Er soll Jazz mögen und gern wandern, doch Genaues weiß man nicht. Deshalb ist es nicht überraschend, dass er selbst im größten Streit um die Vergabe der Plätze für Journalisten seine Pressesprecherin vorschickt.

Ausraster im Gerichtssaal

Götzl ist dafür bekannt, dass er sich strikt an Regeln hält. Er gilt als akribisch und fair. Götzl kann durchaus anerkennen, wenn ihn Verteidiger mit raffinierten juristischen Schachzügen herausfordern - dieses Ringen um die Auslegung von Paragrafen nimmt er sportlich-ehrgeizig. Wenn Anträge aber offensichtlich nur zur Zeitverzögerung gestellt werden, kann er patzig werden, geradezu aufbrausend. Manch ein Anwalt umschreibt Götzls Auftreten im Gericht als "emotional".

Gemeint ist die Tatsache, dass Götzl einen jammernden Angeklagten schon mal zurechtweist, er solle gefälligst nicht in "Selbstmitleid zerfließen". Gelegentlich brüllt er Anwälte, Gutachter oder auch Zeugen an. Besonders sauer wird er, wenn er das Gefühl hat, "mit der Unwahrheit bedient zu werden". Andererseits ist Götzl kreativ genug, einem Angeklagten Batterien für sein Hörgerät zur Verfügung zu stellen, damit dieser der Verhandlung folgen kann. Allerdings sammelt er sie nach jedem Verhandlungstag wieder ein.

Die starke Persönlichkeit, die es braucht, um das Mammutverfahren souverän zu führen, bringt Götzl mit. Das bewies er nicht zuletzt mit der Verschiebung des Prozessbeginns, als deutlich wurde, dass für die Neuvergabe der Presseplätze mehr Zeit nötig sein wird. Mit seiner Eilentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht dem 59-Jährigen dennoch die schmerzlichste Ohrfeige seiner langen Karriere verpasst.

Robustes Gemüt

Im Saal 101 werden an den Verhandlungstagen nicht nur die fünf Angeklagten mit ihren zehn Verteidigern sein, sondern auch mehr als 60 Nebenkläger und ihre Anwälte, die mit Anträgen und Fragen das Verfahren in die Länge ziehen könnten. Nicht unerwartet wären außerdem Demonstrationen von Linken und Rechten vor dem Gerichtsgebäude. Der Präsident des Oberlandesgerichts, Karl Huber, sprach von einer gewissen "Robustheit", die der physisch und psychisch anstrengende Prozess mit seinen vielen Verhandlungstagen dem Richter und seinen vier beigeordneten Kollegen abverlangt.

Wenn es Zweifel an Götzls Eignung gibt, dann beziehen sie sich am ehesten darauf, ob er sensibel genug sein wird, mit den heiklen Momenten des Verfahrens umzugehen. Sein Umgang mit der Kritik, die es an der Vergabe der Presseplätze gab, hat die Bedenken eher lauter werden lassen. Ein brillanter Jurist, aber ohne Fingerspitzengefühl, heißt es nun auch. Nicht nur Verfahrensbeteiligte, auch viele Politiker hoffen, dass Götzl geduldig zuhören möge, sorgfältig abwägen und seinen Schwerpunkt nicht wie sonst auf die Akten, sondern auf die Menschen legt.

Allerdings erleben die Verfahrensbeteiligten Götzl seit Jahren als Richter, der nicht müde wird, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen. Bei ihm geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Beobachter meinen, er ermittele als Richter fast, wie er es einst als Staatsanwalt getan hat.

Deshalb könnte Götzl am Ende genau der richtige Richter sein, um eine unanfechtbare Antwort auf die Frage zu bekommen, ob die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe wegen Mordes verurteilt werden kann. Denn dies ist umstritten, weil sie bei keinem der zehn Morde des NSU selbst geschossen haben und nicht mal am Tatort gewesen sein soll. Gelingt Götzl ein klares Urteil, könnten am Ende des NSU-Prozesses der Ärger um die Platzvergabe und auch alle anderen kritischen Überlegungen in Vergessenheit geraten.

Quelle: ntv.de

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