Politik

Die Post geht ab Zumwinkel und der Wahlkampf

Mit dem Fall Zumwinkel geht im Hamburger Wahlkampf plötzlich die Post ab. Nachdem die Kampagnen der Parteien bisher dahinplätscherten, bringt jetzt ausgerechnet ein Thema Dynamik in den Endspurt vor der Wahl am Sonntag, das mit Hamburg auf den ersten Blick gar nichts zu tun hat. Die SPD betont zwar, die Liechtenstein-Steueraffäre nicht zum dominanten Thema machen zu wollen: "Der Steuerskandal ist kein Geschenk des Himmels für irgendeine Partei", sagt Spitzenkandidat Michael Naumann. Doch SPD und CDU befürchten, dass die Linke davon profitieren könnte. In einer Umfrage nach den Durchsuchungen bei Ex-Postchef Zumwinkel stieg sie auf den Spitzenwert von 9 Prozent.

"Das ist Wasser auf die Mühlen aller Protestparteien", sagt der Politikwissenschaftler Michael Greven von der Universität Hamburg. Ob sich das in zusätzlichen Prozentpunkten für die Linke bei der Wahl am 24. Februar niederschlagen werde, sei schwer zu sagen. An den Wahlkampfständen in der Hansestadt werden Aktivisten der Linken derzeit auch von vielen Menschen angesprochen, die nicht zu ihrer Klientel gehören, berichtet Landesgeschäftsführer Martin Wittmaack. "Das ist ein Thema, das die Menschen bewegt." Schon lange vor der Affäre habe die Linke mehr Steuerfahnder gefordert.

Die Linke profitiert

Weil sich die Linke ohnehin die soziale Gerechtigkeit als Thema auf ihre Fahnen geschrieben hat, kommt ihr der Steuer-Skandal gerade recht: Die Diskussion um DKP-Mitglieder, die auf der Linken-Liste in Hamburg kandidieren, verblasst dahinter. Linken-Chef Oskar Lafontaine reklamiert die Deutungshoheit für seine Partei, wie er in der "Süddeutschen Zeitung" klarmachte: "Dieser Fall zeigt, wie notwendig die Linke in Deutschland ist. Wir haben vorgeschlagen, die Managergehälter auf das Zwanzigfache des Arbeiterlohns zu reduzieren. (...) Wir haben vorgeschlagen, den Spitzensteuersatz zu erhöhen."

Politologe Greven verweist darauf, dass unter dem CDU-geführten Senat in Hamburg seit 2001 offenbar die Zahl der Steuerfahnder reduziert wurde. "Wenn ich Michael Naumann wäre, würde ich das aufgreifen", sagt Greven. Sollte die Linke weiter zulegen und sogar mit einem zweistelligen Ergebnis erstmals in die Bürgerschaft einziehen, wäre der Traum von Schwarz-Gelb oder Rot-Grün für beide großen Parteien endgültig ausgeträumt.

"Kriminelle Raffkes"

Wie gefürchtet das Steuer-Thema ist, wird an CDU-Bürgermeister Ole von Beust deutlich. Er will im Wettstreit harter Urteile nicht ins Hintertreffen geraten und wählt für seine Verhältnisse deutliche Worte: Er spricht von "Raffkes, die nicht nur unanständig, sondern kriminell sind." Und während Naumann hanseatisch dezent den Skandal aufgreift, schickt die SPD den alten Wahlkämpfer der Genossen, Literaturnobelpreisträger Günter Grass, in den Ring.

Diese Spitzenmanager, die Millionen an Steuern hinterziehen, seien die "neuen Asozialen", wettert Grass beim Wahlkampf-Endspurt. Die Kaste in den Chefetagen bereichere sich schamlos. SPD-Chef Kurt Beck sagte in der Hansestadt, für Teile der Wirtschaft gehe es nur noch "um den Tanz ums goldene Kalb". Notwendig seien jetzt klare Regeln in der EU, damit "ein kleines Raubrittertum" wie Liechtenstein nicht ganz Europa unter Druck setzen könne. Am Montag verabschiedete die SPD in Hamburg ein Papier, das härtere Strafen für Steuersünder fordert.

"Am Portemonnaie packen"

Auch die Grünen können das Thema nicht umgehen - sie wollten vor allem der Linken in der letzten Woche noch ein oder zwei Prozent abjagen. Das sei eine "Schweinerei", rief Fraktionschefin Renate Künast am Sonntag im Schmidt Theater an der Reeperbahn. "Wir müssen sie richtig am Portemonnaie packen." Für die FDP ist die Affäre delikat, sie braucht bei derzeit prognostizierten 5 Prozent jede Stimme. Die Liberalen verurteilen die Fälle von Steuerhinterziehung. FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte in Hamburg aber auch, dass jetzt "von links populistische Spielchen" betrieben würden, wie die Forderung nach höheren Steuern oder schärferen Strafen.

Von Georg Ismar, dpa

Quelle: ntv.de

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