Immer neue Vorwürfe gegen Wulff "Zweite Amtszeit vergessen"
20.12.2011, 15:23 Uhr
"Besser die Wahrheit" - im Lichte der neueren Enthüllungen ein kurioser Titel.
(Foto: dpa)
Bundespräsident Wulff kommt nicht aus der Schusslinie. Nach dem Wirbel um einen Kredit und um Ferien bei vermögenden Freunden wurde jetzt bekannt, dass der Unternehmer Maschmeyer eine Anzeigen-Kampagne für ein Wulff-Buch bezahlt hat. Kanzlerin Merkel schickt derweil ihre tägliche Dosis "vollstes Vertrauen".
Der Publizist Hugo Müller-Vogg, der 2007 gemeinsam mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff den Gesprächsband "Besser die Wahrheit" veröffentlichte, hält eine zweite Amtszeit von Wulff als Bundespräsident für ausgeschlossen. "Nein, das kann man vergessen und zwar von Anfang an", sagte der 64-Jährige n-tv.de.
Sollte sich der Bundespräsident Hoffnungen gemacht haben, vielleicht dann von den Grünen mit gewählt zu werden, hätten sich diese nach der Diskussion um seinen Privatkredit und seine Urlaubsreisen nun zerschlagen, so Müller-Vogg. Eine eigene schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung werde es nach der nächsten Bundestagswahl ohnehin nicht geben. (Hier das vollständige Interview.)
Tägliches Dosis Vertrauen
Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederholte ihre mittlerweile tägliche Unterstützung für Wulff. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, Wulff genieße weiter Merkels "vollstes Vertrauen". Die Kanzlerin und Wulff stünden "in sehr regelmäßigem und intensivem Kontakt zu einer Vielzahl von Fragen". Diese Kontakte würden wie immer vertraulich behandelt.
Zu Berichten, nach denen der umstrittene Unternehmer Carsten Maschmeyer eine Werbekampagne für das Interviewbuch finanziert habe, sagte Seibert, auch für neu auftauchende Fragen gelte, dass sie an den Bundespräsidenten zu richten seien. "Sie werden von ihm persönlich aufgeklärt."
Müller-Vogg war nicht informiert

Kanzlerin Merkel vor Beginn der Kabinettssitzung. Die Herren im Vordergrund sind keine Minister, sondern Fotografen.
(Foto: AP)
Müller-Vogg sagte n-tv.de, er habe nicht gewusst, dass die Anzeigenkampagne für das Interviewbuch von Maschmeyer bezahlt wurde. "Nein, das habe ich gestern erst erfahren".
Der Verlag Hoffmann und Campe habe im Autorenvertrag lediglich zugesagt, Werbemaßnahmen zu ergreifen. Die Anzeigen seien dann vom Verlag in Auftrag gegeben worden. "Dass der Verlag die Rechnungen an Herrn Maschmeyer weitergereicht hat, war mir neu."
"Endlich werde ich ernst genommen"
Müller-Vogg schildert Wulff als einen Mann, der von den "Maschmeyers dieser Welt" zunächst nicht ernst genommen wurde. "Dann wurde er Ministerpräsident und plötzlich kamen alle Schröder-Freunde und wollten auch seine Freunde sein. Das ist ihm aber nicht verdächtig vorgekommen, sondern er hat das wohl als Durchbruch betrachtet: Endlich werde ich ernst genommen. Das hat dann dazu geführt, dass er da nicht so kritisch war, wie er es vielleicht besser gewesen wäre."
Mit Blick auf die mit Spannung erwartete Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten sagte Müller-Vogg, er könne sich nicht vorstellen, dass Wulff "jetzt schweigt und am Samstag eine besinnliche Rede hält". Die Ansprache ist bereits aufgenommen, sie wird Heilig Abend ausgestrahlt.
Fast 43.000 Euro
Nach Informationen der "Bild"-Zeitung beglich Maschmeyer die Rechnung für die Werbung zu dem Interview-Buch in Höhe von 42.731,71 Euro aus seinem Privatvermögen. Die Anzeigen erschienen zwischen dem 13. und 27. Oktober 2007 während des niedersächsischen Landtagswahlkampfs in vier verschiedenen Zeitungen.
In dem Buch gibt Wulff Auskunft über sein privates und politisches Leben. Die CDU kaufte dem Bericht zufolge seinerzeit einige tausend Exemplare und verschenkte sie als Wahlwerbung für den damaligen Ministerpräsidenten. Maschmeyer beglich den Betrag demnach am 19. Februar 2008 - 23 Tage, nachdem Wulff erneut zum Regierungschef gewählt worden war.
Maschmeyer teilte der Zeitung mit, er habe die Anzeigen "privat bezahlt", sie jedoch "nicht steuerlich geltend gemacht". Mit Wulff habe er darüber "nicht gesprochen". Der Bundespräsident ließ über seinen Rechtsanwalt Gernot Lehr erklären, auch ihm sei von den Zahlungen nichts bekannt gewesen. Maschmeyer hatte im Landtagswahlkampf 1998 den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) unterstützt, indem er anonym die Anzeige schaltete "Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein".
Opposition will weiter diskutieren
Im niedersächsischen Landtag scheiterte die Opposition mit ihrem Vorstoß, Wulffs Aussagen zu einem Privatkredit und Ferienreisen auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Die Vertreter der niedersächsischen Regierungsparteien CDU und FDP lehnten es im Ältestenrat des Landtags ab, einen entsprechenden Antrag von SPD, Grünen und Linksfraktion überhaupt zuzulassen.
CDU-Fraktionschef Björn Thümler verwies nach der kurzen Sitzung im Landtag in Hannover auf die nach seiner Einschätzung eindeutige Geschäftsordnung. "Die Oppositionsparteien haben sich verrannt und wollten den Ältestenrat missbräuchlich nutzen." Es gehe der Opposition nur darum, das höchste Staatsamt zu diskreditieren, kritisierte Thümler.
SPD-Fraktionschef Stefan Schostok dagegen beharrte darauf, die Landesregierung habe im Jahr 2010 Anfragen der Oppositionsparteien zu den Beziehungen des damaligen Ministerpräsidenten Wulff zu dem Unternehmer Egon Geerkens "nachweislich falsch beantwortet". Die SPD wolle das Thema nun auf der Landtagssitzung erneut diskutieren, die am 15. Januar 2012 beginnt. "Wir haben das Recht auf weitere Auskünfte".
Wulff hatte den Kredits zum Kauf seines Hauses 2008 als Ministerpräsident bekommen. Kreditgeberin war nach Angaben Wulffs und seiner Anwälte Geerkens Ehefrau Edith. Die Grünen im Landtag hatten im Februar 2010 nach geschäftlichen Beziehungen zwischen Wulff und dem Unternehmer gefragt. Wulff ließ daraufhin erklären, dass er mit Geerkens und dessen Firmen "in den letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen" unterhalten habe. Laut "Spiegel" kam das Geld allerdings von Geerkens selbst.
Deutsche hängen an Wulff
In einer aktuellen Umfrage lehnten mehr als zwei Drittel der Deutschen einen Rücktritt Wulffs ab. Nach dem ARD-"Deutschlandtrend Extra" sprachen sich 70 Prozent dafür aus, dass Wulff im Amt bleiben sollte. Einen Rücktritt befürworteten nur 26 Prozent. Eine knappe Mehrheit von 51 Prozent hält Wulff demnach für glaubwürdig - 23 Punkte weniger im Vergleich zum Juli 2010, als er ins Schloss Bellevue einzog. 44 Prozent halten Wulff für nicht glaubwürdig, das ist ein Anstieg von 29 Punkten.
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte Wulff indirekt auf, die offenen Fragen zu seiner Tätigkeit in Niedersachsen zu beantworten. "Der Bundespräsident wird mit diesen Fragen auch so umgehen, dass er den Sachverhalt aufklärt", sagte sie in der ARD und betonte dabei besonders das Wort "er". Zugleich bezeichnete sie die Rücktrittsforderung ihres Fraktionskollegen Erwin Lotter als "vereinzelte Stimme".
Quelle: ntv.de, sba/hvo/dpa/AFP