Online-Durchsuchungen Zypries und Schäuble einig
15.04.2008, 20:04 UhrNach monatelangem Streit haben sich Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) auf die umstrittene Online-Durchsuchung privater Computer geeinigt. Zur Installation von Spähprogrammen solle die entsprechende Wohnung vorher nicht betreten werden, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Stefan Paris. Das Eindringen in die Wohnung hatte die SPD bis zuletzt abgelehnt. Von der Opposition kam Kritik.
Nach Abschluss der Ressortabstimmung werde der Gesetzentwurf über erweiterte Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) zur Bekämpfung des Terrorismus nun an die Länder geschickt, sagte Paris. "Damit ist der Weg frei, dass das BKA die entsprechenden präventiven Befugnisse bekommt." Vor der Sommerpause könne der Entwurf dem Bundeskabinett vorgelegt werden. Noch im Februar hatten Zypries und Schäuble über Details des geplanten BKA-Gesetzes gestritten. Schäuble hatte sich über "mutwillige Verletzungen vereinbarter Verfahren" beschwert.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Ende Februar veröffentlichten Urteil Online-Durchsuchungen an hohe rechtliche Hürden geknüpft. Als Voraussetzung forderte Karlsruhe eine konkrete und absehbare Gefahr für überragend wichtige Rechtsgüter wie Leib, Leben und Freiheit sowie Güter der Allgemeinheit. Auch eine Richteranordnung sahen die Verfassungsrichter als zwingend an. Schäuble hatte das Gesetzgebungsverfahren ursprünglich bereits vor der Karlsruher Entscheidung beginnen wollen. Die SPD wollte diese abwarten, zeigte sich aber bereit, die Durchsuchungsmöglichkeiten auf Computer auszuweiten.
Die Frage des Betretens von Wohnräumen soll nach Angaben des Sprechers noch weiter beraten werden. Bereits am Mittwoch bei der Innenministerkonferenz im brandenburgischen Bad Saarow soll es darum gehen.
Das BKA-Gesetz musste erneuert werden, nachdem die Aufgaben des Bundeskriminalamts als Teil der Föderalismusreform auch auf die Terrorabwehr ausgedehnt wurden. Die Reform war im September 2006 in Kraft getreten. Neben der Online-Durchsuchung sind verschiedene andere Kompetenzen zur Ermittlung, Überwachung und Datennutzung geplant. Die Länder müssen dem Gesetz zustimmen.
Die Opposition kritisierte die Einigung der beiden Koalitionsparteien. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth bezeichnete den Kompromiss als "Gift für den Rechtsstaat". "Die große Koalition versucht unbelehrbar, in Richtung präventiver Überwachungsstaat zu gehen." Der Linke-Bundestagsabgeordnete Jan Korte warf der Bundesregierung vor, "beratungsresistent" zu sein.
Viel Aufwand für einen "Trojaner"
Für die Durchsuchungen müssen die Fahnder heimlich ein Programm, "Trojaner" genannt, in den Computer des Verdächtigen einschleusen, etwa als Anhang einer E-Mail oder durch eine Lücke im Sicherheitssystem des Rechners. Denkbar ist auch, eine Art Computerwanze zu installieren, wofür aber ein Ermittler heimlich in die Wohnung einbrechen müsste. Letzteres soll der Einigung von Innen- und Justizministerium zufolge aber nicht möglich sein.
Mit einer "Online-Überwachung" können sämtliche Aktivitäten des Nutzers an seinem Rechner protokolliert oder die komplette Festplatte kopiert werden. Das ermöglicht den Zugriff auf flüchtig gespeicherte Daten, wie Passwörter oder Codes zur Verschlüsselung von Daten. Der Informatik-Professor Felix Freiling schätzt, dass an der Vorbereitung eines "Trojaners" im Schnitt zwölf Experten jeweils einen Monat lang arbeiten müssten.
Quelle: ntv.de