Politik

Ungarn wird weißrussisch Scharfe Kritik an Knebelgesetz

Ungewöhnlich deutlich kritisieren OSZE, EU-Politiker und die deutsche Bundesregierung das ungarische Mediengesetz. Offenbar wolle Ministerpräsident Orban dem weißrussischen Machthaber Lukaschenko den Titel als letzter Diktator Europas abjagen, sagt Luxemburgs Außenminister Asselborn.

Viktor Orban hat die Medien seines Landes unter die Kontrolle seiner Partei gestellt - ein in der EU einzigartiger Vorgang.

Viktor Orban hat die Medien seines Landes unter die Kontrolle seiner Partei gestellt - ein in der EU einzigartiger Vorgang.

(Foto: AP)

Kurz vor Übernahme des EU-Ratsvorsitzes ist die ungarische Regierung wegen ihres neuen Mediengesetzes international in die Kritik geraten. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erklärte, das Gesetz sei eine Gefahr für kritische Medien und die öffentliche Debatte in dem Land. Auch die Bundesregierung beurteilte das Gesetz äußerst kritisch.

Die OSZE-Beauftragte für Pressefreiheit, Dunja Mijatovic, erklärte in Wien, mit dem Gesetz drohten kritische Medien in Ungarn zum Schweigen gebracht zu werden. Das Gesetz verstoße gegen die Standards für Pressefreiheit in der OSZE und gefährde den Pluralismus in der ungarischen Medienlandschaft. Die vorgesehene Macht der Medienaufsicht sei "in den europäischen Demokratien ohne Beispiel und schade der Freiheit".

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte, offenbar wolle Ministerpräsident Viktor Orban dem weißrussischen Machthaber Alexander Lukaschenko den Titel als letzter Diktator Europas abjagen. Ungarn sei es nicht würdig, Europa im ersten Halbjahr 2011 als EU-Ratsvorsitzender zu lenken.

Das ungarische Parlament, in dem Orbans Fidesz-Partei über eine Zweidrittelmehrheit verfügt, hatte in der Nacht zu Dienstag das neue Mediengesetz verabschiedet. Das Gesetz ermöglicht der von Fidesz kontrollierten neuen Medienbehörde NMHH künftig neben der Aufsicht der staatlichen Medien auch die Kontrolle über die privaten Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen und Internetportale. Kritiker fürchten einen Knebel für die Presse, zumal die NMHH-Präsidentin für neun Jahre von Ministerpräsident Viktor Orban ernannt worden war.

Bundesregierung zeigt sich besorgt

In Berlin sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans, als künftige EU-Ratspräsidentschaft trage Ungarn "besondere Verantwortung für das Bild der gesamten Europäischen Union in der Welt". Daher erachte es die Bundesregierung als "selbstverständlich", dass Ungarn den rechtsstaatlichen Pflichten der EU verpflichtet bleibe und der Kritik der OSZE Rechnung trage. Die Bundesregierung werde hinsichtlich des ungarischen Mediengesetzes "nicht nur beiläufig, sondern ausdrücklich die Vorgänge und Umstände beobachten".

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, erklärte, alle EU-Mitgliedstaaten müssten sich "klar zur Pressefreiheit bekennen und sie aktiv schützen". Als künftige EU-Präsidentschaft trage Ungarn dabei eine "besondere Verantwortung".

Kritik an Ungarn kam auch aus den Reihen des Europa-Parlaments. "Wir werden Ungarn sehr genau an den europäischen Standards zur Pressefreiheit messen", sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Martin Schulz, der "Frankfurter Rundschau". Sollten diese nicht erfüllt werden, werde Budapest "große Probleme bekommen". Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Alvaro nannte es in der Zeitung "äußerst fragwürdig", dass eine designierte EU-Präsidentschaft "kritische Medien im eigenen Land mundtot machen" wolle. Die Grünen im Europaparlament erklärten, das Gesetz verstoße gegen die Werte der EU. Die Europäische Kommission müsse daher "angemessene Maßnahmen" ergreifen.

EU-Kommission prüft Gesetz

Die EU-Kommission untersucht, ob die Verschärfung des Medienrechts in Ungarn mit EU-Grundsätzen vereinbar ist. "Die EU-Kommission prüft, ob Ungarn mit seinem neuen Mediengesetz gegen EU-Recht verstößt", sagte ein Sprecher der Behörde.

Einschätzungen zu der umstrittenen Gesetzgebung in Ungarn machte er nicht. "Wir werden prüfen, in welchem Umfang europäisches Recht und europäische Prinzipien betroffen sind", sagte der Sprecher.

Quelle: ntv.de, AFP/rts/dpa

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