Dossier

Sperrwall aus Stahlplatten Ägypten blockiert Schmugglertunnel

Ägypten hat damit begonnen, Stahlplatten entlang der Grenze zum Gazastreifen in den Boden zu rammen, um die Tunnel aus Gaza zu schließen. Offiziell wird das aber dementiert.

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Offiziell gelten die Maßnahmen in Ägypten als "Routine Instandsetzung".

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Blockade des von der Hamas beherrschten Gazasteifens soll jetzt mit einer unterirdischen Mauer aus Stahl perfektioniert werden. Amerikanisches Militär habe unter einem Mantel der Geheimhaltung damit begonnen, 18 Meter lange und fünf Zentimeter dicke Stahlplatten entlang der 13 Kilometer langen Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten in den Boden zu rammen. Das hatte vor einigen Tagen die israelische Zeitung Haaretz gemeldet. Die als zuverlässig geltende palästinensische Nachrichtenagentur Maan bestätigte jetzt diese Informationen aus eigenen Quellen vor Ort im ägyptischen El Arisch und im palästinensischen Rafah.

Derweil habe Ägypten in einer Farm 300 Meter südlich der Grenze den Eingang zu einem 2,5 Meter breiten Tunnel entdeckt, durch den 30 Hyundai Vernas Autos in den Gazastreifen geschmuggelt worden seien. Ansonsten wurden durch die Tunnel in Einzelteile zerlegte Raketen aus Iran, Sprengstoff, Geld, gesuchte Terroristen, Bräute und sogar eine Giraffe für den Zoo von Rafah geschmuggelt.

Schon 430 Tunnel entdeckt und zerstört

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Die Ägypter wollen von 1300 Tunnels wissen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Ägypter behaupten, von 1300 Schmugglertunnels zu wissen. Vor allem palästinensische Kinder graben sie unter der Grenze hinweg. Mehr als 130 Tunnelbauer seien bei dieser Arbeit getötet worden, wenn die Tunnel in dem sandigen Boden einstürzten, aus Sauerstoffmangel, durch gezielte Explosionen der Ägypter oder Bombardements der Israelis. Nach Angaben von Maan hätten die Ägypter schon 430 Tunnel entdeckt und zerstört. Immer wieder bombardieren die Israelis solche Schmugglertunnel, wenn es vorher zu Angriffen auf Israel mit Sprengladungen an der Grenzstraße, Mörser- oder Raketenattacken gekommen ist.

Namentlich bekannte Familienclans betreiben die Tunnels und bereicherten sich derart, dass die im Gazastreifen herrschende Hamas schon vor einem Jahr beschlossen hat, die Schmuggelwaren zu besteuern. Ebenso führte die Hamas Sicherheitskontrollen ein, um das Leben der Tunnelbauer im Kindesalter zu schützen.

Bewegungen unter der Erde überwacht

Als die Israelis noch diese "Philadelfi-Achse", jene Grenze zu Ägypten, bis zu ihrem vollständigen Rückzug aus Gaza im Sommer 2005 kontrollierten, haben sie durch die Zerstörung grenznaher Häuser in Rafah und mit der Errichtung einer oberirdischen Stahlmauer erfolglos versucht, illegale Grenzüberschreitungen zu unterbinden. Angeblich gab es keine Technologie, den Bau von Tunnels unter der Grenze oder sogar unter israelischen Stützpunkten zu orten. Nach Angaben von Maan hätten die Amerikaner jetzt Sensoren entwickelt, die unterirdische Geräusche orten könnten. Vier amerikanische Militärtechniker überwachen angeblich schon Bewegungen in den Tunnels und könnten zwischen dem Graben eines neuen Tunnels und Schmuggleraktivitäten unterscheiden. Die faustgroßen Sensoren seien 15 Meter tief in den Boden eingelassen worden. Dieses vor einem Jahr begonnene Projekt sei fast abgeschlossen. Obgleich sich alles auf ägyptischem Territorium abspiele, würden die Israelis über jede Bewegung informiert, schreibt Maan.

Während die Israelis seinerzeit prüften, ob entlang der 13 Kilometer langen Grenze ein mit Meerwasser gefüllter Kanal gebaut werden könnte, haben die Ägypter immer wieder das Erdreich bei den Tunnels geflutet, um die unterirdischen Gänge zum Einsturz zu bringen.

Sperrwall aus Stahlplatten

In einer zweiten Bauphase sollen auf zehn von dreizehn Kilometern 18 Meter lange und 50 cm breite Stahlplatten einen undurchdringbaren Sperrwall schaffen. Nahe dem Mittelmeerstrand sei der sandige Untergrund so locker, dass dort ohnehin keine Schmugglertunnels gegraben werden könnten. Die Stahlplatten seien in den USA hergestellt und auf Frachtern schon vor sechs Monaten nach Ägypten gebracht worden. Militärlastwagen hätten sie heimlich in die Nähe von Rafah transportiert.

An zwei Stellen seien diese Platten schon installiert worden, wobei die Ägypter zur Tarnung zivile Geräte zum Bohren von Brunnen eingesetzt hätten. Kairo bezeichnete diese von Fernsehteams gefilmten Aktivitäten als "Routine Instandsetzung". Offiziell dementierten die Ägypter laut Maan den Bau des stählernen Sperrwalls. Doch die Agentur will erfahren haben, dass Bauern auf der ägyptischen Seite die grenznahen Äcker zu überhöhten Marktpreisen abgekauft worden seien. Die Käufer hätten im Namen der ägyptischen Regierung gehandelt. Ebenso berichtet Maan von hunderten herausgerissenen Bäumen auf den Baustellen entlang der Grenze.

Ägypter können das selbst

Im Januar, nach dem Gazakrieg, als sich die Israelis über den von Ägypten geduldeten Schmuggel von Waffen, Raketen und Sprengstoff in den Gazastreifen beschwerten, machte auch Deutschland Angebote an die Ägypter, die Grenze mit moderner Technologie abzudichten. Das Angebot wurde zurückgewiesen, weil die Ägypter das als eine Verletzung ihrer Souveränität betrachteten. Das deutsche Angebot wurde auch ausgeschlagen, weil die Ägypter eine derartige Bescheinigung ihrer eigenen Unfähigkeit, die Grenze zu sichern, als eine Verletzung ihrer Ehre auffassten. Die Bundesrepublik schlug damals auch vor, den künftig arbeitslosen Tunnelbauern und Schmugglern durch eine deutsche Berufsausbildung eine Zukunftsperspektive zu geben.

Der Gazastreifen mit 1,5 Millionen Einwohnern wird seit der Entführung des Soldaten Gilad Schalit 2006 und verschärft seit dem Putsch der Hamas 2007 durch Ägypten und Israel blockiert. Hilfsgüter werden eingelassen. Bewohner des Gazastreifens erhalten nur in Ausnahmefällen eine Genehmigung, den Küstenstreifen zu verlassen.

Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm

Der Nahe Osten ist sein Metier. Ulrich W. Sahm berichtet seit Mitte der 1970er Jahre aus der Region. Er ist immer auf der Suche nach der Geschichte hinter der Nachricht.

Quelle: ntv.de

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