Dossier

Libyen-Affäre BND dementiert Verwicklungen

Manchmal braucht die Arbeit von Geheimdiensten einfach ihre Zeit. 16 Stunden - so lange benötigte am Wochenende der Bundesnachrichtendienst (BND), bevor er Stellung zu Vorwürfen bezog, er habe von Anfang an über die heimliche deutsche Ausbildungshilfe für Sicherheitskräfte in Libyen Bescheid gewusst. In dieser Zeit liefen zwischen BND, Ministerien und einigen sonstigen Regierungsstellen die Telefone heiß. Dann kam ein klares Dementi: nicht geholfen, nicht beraten, nichts gewusst. Ausgestanden ist die Affäre damit jedoch noch nicht.

Mit der Meinung, dass es "unglaublichen Aufklärungsbedarf" gebe, steht Grünen-Chefin Claudia Roth nicht allein. Über alle Parteigrenzen hinweg wird nach Antworten verlangt. Bei seiner nächsten Sitzung will sich das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestags mit der Aufbauhilfe für den Sicherheitsapparat des einstigen "Schurkenstaats" beschäftigen. Am 9. April schon könnte die Affäre Thema im Parlament sein.

Verrat von deutschen Dienstgeheimnissen?

Fest steht, dass von Dezember 2005 bis Juni 2006 rund 30 deutsche Polizisten sowie ein Personenschützer von Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan in Libyen im Einsatz waren. Nach "Spiegel"-Informationen fand das Ausbildungsprogramm für etwa 120 libysche Polizisten hauptsächlich in einer Kaserne in Tripolis statt. Dazu habe zum Beispiel das "taktische Vorgehen beim Zugriff in Gebäuden", Fahrtraining sowie das Entern von Schiffen und das Absetzen aus Hubschraubern gehört. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt nun wegen Verrats von deutschen Dienstgeheimnissen.

Für den Nebenjob in ihrer Freizeit sollen die Experten von der privaten Sicherheitsfirma BDB Protection GmbH bis zu 50.000 Euro bekommen haben. Die Firma wiederum soll von Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi mit umgerechnet 1,6 Millionen Euro entlohnt worden sein. Und das in einer Zeit, in der das nordafrikanische Land noch auf der Liste der Staaten stand, die Terroristen unterstützen.

Solche deutsche Schützenhilfe gab es schon einmal: Mitte der 90er Jahre kam heraus, dass ein ehemaliger BND-Mitarbeiter und Major der Bundeswehr von 1979 bis 1983 Gaddafis Wachregiment trainiert hatte. Der BND bestreitet bis heute jede Beteiligung.

Wer wusste davon?

Stellt sich die Frage, wer vom neuen Trainingsprogramm wusste. Der deutschen Botschaft in Tripolis zum Beispiel dürfte die Anwesenheit von so vielen Deutschen nicht lange verborgen geblieben sein. Und auch der BND müsste über solche Aktivitäten eigentlich auf dem Laufenden gewesen sein - zum Beispiel, weil damals bei einem Sportfest der deutschen Gemeinde in Tripolis einige sonderbare Gestalten in Tarnuniform unterwegs waren, die sich auf Deutsch unterhielten.

Ein Bericht der "Berliner Zeitung", wonach der BND von Beginn an informiert war, wird von den Geheimdienstlern jedoch entschieden dementiert. "Der BND hat weder Ausbildungshilfe geleistet, noch war er beratend oder begleitend eingebunden." Das Auswärtige Amt bestätigt zumindest, dass es zwischen der Botschaft und dem Chef der Sicherheitsfirma - einem Ex-Mitglied der Elite-Einheit GSG 9 - kurzen Kontakt gab. Die Firma sei aber "in keiner Weise" unterstützt worden.

Spekuliert wird inzwischen sogar, dass die deutsche Hilfe von ganz oben abgesegnet gewesen sein könnte. Nach Informationen der "Bild am Sonntag" geht sie auf eine direkte Absprache zwischen Gaddafi und dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) im Oktober 2004 zurück. Die Unterstützung soll der Dank für libysche Hilfe bei der Freilassung der auf den Philippinen entführten deutschen Familie Wallert gewesen sein. Dazu hieß es aus Diplomatenkreisen nur: "Völliger Blödsinn".

Von Christoph Sator, dpa

Quelle: ntv.de

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