Ost-West-Regent Bernhard Vogel wird 75
19.12.2007, 03:00 UhrPflichtmensch und Schöngeist, knallharter CDU-Machtpolitiker und wortgewandter Diplomat - Bernhard Vogel hat viele Facetten. Für seine wichtigste hält der ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen Verlässlichkeit. "Man muss genau überlegen, was man verspricht. Aber dann muss man es auch halten." Nach dieser Maxime absolvierte der Chef der Konrad-Adenauer-Stiftung kurz vor seinem 75. Geburtstag am 19. Dezember noch ein strammes Programm - in Kambodscha.
Mit raumgreifenden Schritten eilte Vogel wie eh und je von Termin zu Termin. "Ich denke nicht viel über das Alter nach. Die Aufgaben fordern mich, halten mich fit." Für Memoiren hat der promovierte Politikwissenschaftler und ewige Junggeselle "vorerst keine Zeit". Wichtig war ihm ein Gemeinschaftswerk mit seinem "roten" Bruder Hans-Jochen, ehemals Vorsitzender der SPD, mit dem Titel "Deutschland aus der Vogelperspektive. Eine Geschichte der Bundesrepublik". Aber auch seine eigene wäre berichtenswert.
Bereitschaft zum Zuhören
Vogel hat, wie er es nennt, ein "Alleinstellungsmerkmal" unter den deutschen Landesfürsten. Er regierte zwei Länder, Rheinland-Pfalz und Thüringen, West und Ost. Siebenmal legte er den Amtseid als Ministerpräsident ab, stand an der Spitze von CDU-Alleinregierungen, aber auch von Koalitionen mit FDP und SPD. Trainiert durch die Meinungsverschiedenheiten mit dem älteren Bruder wurden ihm Integrationsfähigkeit und die Bereitschaft zum Zuhören bescheinigt.
Zwölf Jahre (1976-1988) regierte der gebürtige Göttinger, der aus einer Professorenfamilie stammt, in Mainz. In der Erfurter Staatskanzlei war er für mehr als elf Jahre (1992-2003) der unumstrittene Chef am Kabinettstisch. "Diese historische Einmaligkeit als Ministerpräsident zweier deutscher Länder wird wohl von niemand anderem zu erreichen sein", schrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Geburtstag. Sie bescheinigt Vogel, der in der katholischen Soziallehre verwurzelt ist, einen ganz eigenen Politik- und Regierungsstil: "Er geht nicht einfach drauflos."
Dabei schien seine Karriere als Spitzenpolitiker nach dem Rücktritt Ende 1988 wegen offener Machtkämpfe in der rheinland-pfälzischen CDU fast schon zu Ende. Gut drei Jahre später erreichte Vogel, der damals bereits die Adenauer-Stiftung leitete, ein Anruf bei einem Termin in München. Wenige Stunden danach trat er bei der Thüringer CDU-Landtagsfraktion an, die ihren Ministerpräsidenten Josef Duchac gestürzt hatte.
"Thüringen war das größte Abenteuer meines Lebens"
Dass ihn der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) nach Erfurt schickte, bestreitet Vogel. Der Aufbruch im Winter 1992 wirkte alles andere als vorbereitet: Der künftige Ministerpräsident kam ohne Gepäck. "Selbst eine Zahnbürste musste besorgt werden", erinnert sich die heutige CDU-Fraktionsvorsitzende Christine Lieberknecht. Für sie ist Vogel, der schnell sein Image als "Westimport" verlor und als stets lächelnder, am Rennsteig wandernder und ungemein fleißiger Landesvater populär wurde, ein "Glücksfall". Lieberknecht beschreibt ihn als "sehr aufgeschlossenen und bescheidenen Menschen mit ganz klaren inneren Koordinaten".
Vogel kam in ein Land, das wegen Affären und Rücktritten in schlechtem Ruf stand, wo reihenweise große DDR-Betriebe zusammenbrachen und es kaum funktionierende Strukturen gab. Er organisierte den Aufbau, allerdings erkauft mit hohen Landesschulden. "Thüringen war das größte Abenteuer meines Lebens." Sein Motto "Was du tust, das tue klug und bedenke das Ende" ließ er kurzzeitig außer Acht: "Ich habe mich auf etwas eingelassen, dessen Ausgang ich nicht kannte."
Inzwischen kennt er nach eigenem Bekunden Thüringen besser als Rheinland-Pfalz, wo er in Speyer wohnt. In der Erfurter Staatskanzlei wird er am 20. Dezember mit Wegbegleitern feiern. Von Ruhestand will Vogel dann nichts hören. Als Vorsitzender der Adenauer-Stiftung ist er bis 2009 gewählt. "Ich habe eine Pflicht übernommen, auch wenn es ein Ehrenamt ist."
Von Simone Rothe, dpa
Quelle: ntv.de