Gewehrsalven in die Menge Blutbad auf Madagaskar
08.02.2009, 16:07 UhrSchirmmützen, Blutlachen, Schuhe und ein ausgebranntes Polizeifahrzeug kündeten vor dem Stadtpalast in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo als stumme Zeugen von der Panik des Vortags. Ohne Vorwarnung hatten schwer bewaffnete Soldaten einer Eliteeinheit aus automatischen Waffen wahllos in eine demonstrierende Menschenmenge geschossen und ein Blutbad angerichtet. Die Gewehrsalven lösten Panik aus. Auch die rund 40 in- und ausländischen Fotografen und Journalisten mussten hinter Mauern und in Eingängen in Deckung gehen. Der Kameramann einer lokalen Fernsehstation erreichte sie nicht mehr und starb im Kugelhagel.
Seine Kollegen waren die ersten, die halfen und Verletzte bargen, die mit den Fahrzeugen eines benachbarten Hotels, mit Privatwagen oder einfach huckepack auf dem Rücken ins nächste Krankenhaus gebracht wurden. Seitdem ist auf der Tropeninsel vor Afrikas Ostküste nichts mehr so wie es einmal war. Das Blutbad mit mehreren Dutzend Toten und bis zu 300 Verletzten vor dem Stadtpalast von Präsident Marc Ravalomanana hat die Nation noch tiefer gespalten als je zuvor. Es ist die bisher blutigste Eskalation im erbitterten Machtkampf, der seit zwei Wochen in dem tropischen Inselstaat tobt.
Zwei ist einer zu viel
Auf der an Bodenschätzen reichen Insel - vor drei Jahren wurde auch Öl gefunden - stehen sich Präsident Ravalomanana und sein politischer Herausforderer Andry Rajoelina im Kampf um die Macht gegenüber. Der eine ist ein ehemaliger Joghurt-Verkäufer, der andere ein ehemaliger Disc-Jockey - beide sind ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt. Ravalomanana hatte bei seinem Reformkurs mit einsamen Entscheidungen, demonstrativer Anhäufung von Reichtum und der angeblichen Vergeudung von Staatsgeldern Unmut bei der bitterarmen Bevölkerung hervorgerufen. Sein politischer Rivale versucht sie für sich zu nutzen, um ihn staatsstreichähnlich aus dem Amt zu drängen.
Als Oberbefehlshaber der Sicherheitskräfte ist Ravalomanana in letzter Instanz verantwortlich für den Schießbefehl in der "Sperrzone" um den Palast von Ambohitsirohitra. Erste Rufe nach seinem Rücktritt wurden noch am Abend des Massakers laut. "Ravalomanana hat kein Recht, auf sein Volk schießen zu lassen", wehklagte eine Frau, die gerade einen Angehörigen verloren hatte.
Oppositionelle sorgen für Aufbruchstimmung
Dabei hatte zunächst alles ganz friedlich im Stadtzentrum begonnen: Musiker unterhielten die gut 25.000 Anhänger des selbst ernannten Staatschefs Rajoelina. Die Stimmung war ausgelassen. Die Ansprachen Rajoelinas und des frisch präsentierten "Ministerpräsidenten" seiner Gegen-Regierung sorgten für Aufbruchstimmung unter den Anhängern seiner Demokratiebewegung.
Als die Aufforderung kam, zum Stadtpalast zu marschieren, gab es kein Halten. Doch auf dem Berg im Stadtteil Antaninarenina hatten mehrere Hundert schwer bewaffnete Soldaten alle Zufahrtswege abgeriegelt. Beide Seiten verhandelten zunächst. Doch als mehrere ungeduldige Jugendliche vorwärts stürmten, schossen die Soldaten mit scharfer Munition.
Rajoelina nutzte das Blutbad, um emotionsgeladen unter Tränen zu fragen: "Warum muss man wegen so was so viele Menschen umbringen - in dem Palast sind doch nur Büros?" Er werde nicht aufhören, mit legalen Mitteln Ravalomananas Absetzung zu betreiben. Jener drückte den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. Rajoelina habe diese in die "Sperrzone" geschickt, das sei Unrecht. Er rief dazu auf, ruhig zu bleiben und zum Alltag zurückzukehren.
Klaus Heimer, dpa
Quelle: ntv.de