Dossier

Portrait Böhrnsen feiert leise

Werder Bremen mag er - natürlich - und die Rolling Stones. Ansonsten bevorzugt Bremens Regierungschef Böhrnsen leise Töne. Das kommt an in der Hansestadt. Dass Böhrnsen vorübergehend die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten übernahm, war aber doch nur ein Zwischenspiel - seine Liebe gehört seiner Stadt.

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(Foto: dpa)

Jens Böhrnsen mag es leise - auch wenn andere jubeln. Soeben hat seine SPD einen überzeugenden Sieg bei der Bürgerschaftswahl in Bremen hingelegt. Doch Böhrnsens Stimme hebt sich kaum, als er vor glücklichen Genossen verkündet: "Wir haben heute großen Grund zur Freude." Die SPD, bundesweit derzeit nicht gerade mit Erfolg gesegnet, wird in ihrer traditionellen Hochburg an der Weser weiterregieren können. Das hat sie auch dem 61-jährige Böhrnsen zu verdanken, der mit seiner bedächtigen Art bei den Wählern ankommt.

Seit 2005 lenkt der langjährige Verwaltungsrichter als Regierungschef die Geschicke des kleinsten deutschen Bundeslandes, in dem die SPD seit 1945 ununterbrochen an der Macht ist. Erst regierte Böhrnsen in einer großen Koalition mit der CDU. Nach der Bürgerschaftswahl von 2007, die die SPD trotz Verlusten mit 36,7 Prozent haushoch gewann, gingen die Sozialdemokraten unter seiner Führung dann ein Bündnis mit den Grünen ein. Mit dessen Arbeit zeigten sich die Bremer zufrieden: Die SPD legte leicht zu und die Grünen überflügelten sogar die CDU - und sind nun zweitstärkste Kraft im Land.

Werder und die Rolling Stones

Böhrnsen gilt als kompetenter und ruhiger Stratege. Außerdem ist der Mann mit den silbergrauen Haaren und der randlosen Brille ein fleißiger Aktenleser. Zu seinem Charakter gehört es auch, dass es ihm bisweilen schwer fällt, auf Menschen zuzugehen. Als ein eher "menschenscheuer Politiker" wurde der Fan des Fußball-Bundeslistigsten Werder Bremen und der Rockband "Rolling Stones" immer wieder tituliert. Doch seinen allerersten Dank richtete Böhrnsen an die Wähler, "die uns das Vertrauen wieder geschenkt haben".

Böhrnsen mit seiner Lebensgefährtin Birgit Rüst.

Böhrnsen mit seiner Lebensgefährtin Birgit Rüst.

(Foto: dpa)

Bundesweit war der gebürtige und in seiner Heimatstadt verwurzelte Bremer bis zum vorigen Jahr nur wenig bekannt. Das änderte sich nach dem überraschenden Rücktritt des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Böhrnsen übernahm als Bundesratspräsident gemäß Grundgesetz für 30 Tage kommissarisch dessen Amt, bis mit Christian Wulff ein neuer Präsident gewählt worden war. Seine Zeit als Staatsoberhaupt bezeichnete Böhrnsen später als "interessante und spannende Zeit". Auf den Geschmack gekommen ist er aber nicht. "Das nehme ich als schöne Erfahrung mit. Aber mein Herzblut ist und bleibt Bremen."

Böhrnsen entstammt einer alten sozialdemokratischen Familie, sein Vater war im Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime aktiv. Der junge Böhrnsen begann sich in dem typischen Bremer Nachkriegsumfeld aus Werftenindustrie, Hafen, Gewerkschaften und SPD früh für Politik zu interessieren. Die Arbeiterbewegung habe ihn geprägt, sagt er. Schon als Jugendlicher trat er in die SPD ein, arbeitet sich nach oben. Von 1995 bis 2005 war er Bürgerschaftsabgeordneter, von 1999 bis 2005 zugleich SPD-Fraktionschef.

Schicksalsschlag im Wahlkampf

Böhrnsen lebt mit seiner Lebensgefährtin Birgit Rüst, einer Schulleiterin, auf einem alten Bauerhof im Stadtteil Burglesum. Zweimal war der Vater von zwei Söhnen verheiratet. Die zweite Ehe endete in einem Schicksalsschlag: Seine Frau starb 2007 mitten im damaligen Wahlkampf an den Folgen einer Hirnblutung.

Zu seinen zentralen politischen Projekten zählt Böhrnsen den Kampf für eine soziale und faire Gesellschaft - gerade in Bremen mit seiner seit dem Ende der Werften und anderer wichtiger Industriezweige hohen Arbeitslosigkeit keine leichte Aufgabe. Außerdem will er den maroden Landeshaushalt sanieren und treibt ein Sparprogramm voran.

Als Vertreter eines hochverschuldeten Stadtstaats gehört Böhrnsen zu den engagiertesten Verfechtern föderaler Solidarhilfen. Wenn es darum geht, Versuche abzuwehren, den Länderfinanzausgleich aufzuweichen, gehört der ansonsten hanseatisch zurückhaltende Böhrnsen zu den lautstärksten öffentlichen Mahnern. Das System sei für Bremen "überlebenswichtig", sagt er.

Quelle: ntv.de, Sebastian Bronst, AFP

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