Dossier

Blair übt späte Rache Browns Zeit läuft ab

"Nun übertreib mal nicht", sagt Gordon Brown in einer Karikatur zu seiner Frau. "Hier gibt es doch keine Haie!" Dabei ist der Premierminister, der gerade an der Nordsee Urlaub macht, von den hoch aufgestellten Schwanzflossen eines ganzen Raubfisch-Rudels umzingelt. Die satirische Zeichnung reflektiert die Dramatik des politischen Sommertheaters in Großbritannien.

Wann das Stück, das "Gordon Browns Untergang" oder auch "Tony Blairs Rache" heißen könnte, sein furioses Finale erreicht, glaubten britische Medien am Montag erkannt zu haben - spätestens in drei bis vier Wochen. "Brown hat nur noch bis Ende August Zeit, seine politische Karriere zu retten", meldete der liberale "Independent" unter Berufung auf die Fraktion der "Haie", der immer mächtiger werdenden innerparteilichen Gegner des Regierungschefs.

Putschisten im eigenen Lager

Um das Blatt noch zu wenden, müsste der 57-jährige Schotte nach seinem Urlaub und dem sich daran anschließenden Besuch der Olympischen Spiele in Peking mit einem absolut überzeugenden Plan für den Machterhalt der bedrängten Regierungspartei nach London zurückkehren. "Ansonsten wird er durch eine Rebellion seines eigenen Regierungskabinetts aus dem Amt gedrängt", lassen seine Gegner wissen.

Noch schrecken die meisten Minister vor einem dramatischen "Königsmord" zurück. Sie beteuern ihr Vertrauen in die Fähigkeit des Regierungschefs, die Labour-Partei aus ihrem schlimmsten Popularitätstief seit Jahrzehnten herauszuführen. Doch das könnte sich rasch ändern. Die "Putschisten" machen öffentlich, dass sie gezielte Gespräche mit Kabinettsmitgliedern und einflussreichen Labour-Abgeordneten über eine neue Politik führen wollen, mit der das Vertrauen der Wähler zurückgewonnen werden könnte.

Gegner sind bekannt

Laut "Times" soll damit "über den gesamten Monat" der Druck auf Brown aufrechterhalten werden. Während sich die Rebellen bis zur Abreise Browns in den Nordsee-Urlaub bedeckt hielten, stehen die Namen mittlerweile in den Zeitungen. Charles Clarke, der frühere Innenminister, gehört ebenso dazu wie der einstige Minister für Handel und Industrie, Stephen Byers. Wie andere Mitverschwörer gelten sie als "Blairisten", als Gefolgsleute des Ex-Premierministers Tony Blair.

Daher wundert es niemanden, der den britischen Polit-Thriller verfolgt, dass nun eine geheime Aktennotiz Blairs mit vernichtender Kritik an Brown in die Medien lanciert wurde. "Arroganz und Ideenlosigkeit" wirft er seinem Nachfolger darin vor. Auf geradezu "zerstörerische" Art habe der sich von allem abgewandt, was in zehn Labour-Regierungsjahren geschaffen wurde.

"Typ von nebenan"

Geschrieben wurde die Notiz wenige Wochen nachdem Blair selbst durch eine Palastrevolution aus dem Amt gedrängt wurde - der Anführer war damals niemand anders als Gordon Brown, der Schatzkanzler, der nebenan in der Downing Street 11 residiert und jahrelang darauf gewartet hatte, endlich in die Nummer 10 umziehen zu können.

Wie wenig sich die Nachbarfamilien in der Downing Street ausstehen konnten, hatte Blair auf einem Labour-Kongress nach seinem Sturz durchblicken lassen. "Ich brauche wenigstens keine Angst zu haben, dass meine Frau mit dem Typen von nebenan durchbrennt", witzelte er vor den Delegierten. Auf demselben Parteitag soll er das Memo geschrieben haben, dass jetzt als Blairs späte Rache dient, um Browns Untergang zu beschleunigen.

Das eigentliche Dilemma der Partei liegt freilich nicht darin, dass sie den unpopulären Brown loszuwerden versucht und dass dabei auch miese Tricks angewandt werden. Schlimmer ist, dass keiner der möglichen Nachfolger - als aussichtsreich gilt derzeit der einst auch von Blair geförderte Außenminister David Miliband - Labour einen echten Popularitätszuwachs bringen dürfte. Laut Umfragen würden die Briten die Blair-Brown-Partei bei Wahlen trotzdem in die Wüste schicken und die Tories an die Macht bringen.

Thomas Burmeister, dpa

Quelle: ntv.de

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