Dossier

Wer kommt nach Hu Jintao? China stellt Weichen

Vor dem Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas ist hinter den Kulissen ein Tauziehen um die künftige Führungsgeneration entbrannt. Auf dem Parteikongress, der nur alle fünf Jahre stattfindet, werden die Weichen für die Zukunft gestellt - politisch und personell. Chinas Kommunisten denken langfristig: Wer 2012 an der Spitze der fünften Führungsgeneration das Milliardenvolk führen soll, muss in Position gebracht werden, wenn die mehr als 2000 Delegierten am 15. Oktober in der Großen Halle des Volkes in Peking zusammenkommen. Dabei hat Staats- und Parteichef Hu Jintao, der vor fünf Jahren das Ruder übernommen hat, seine Macht noch nicht einmal völlig konsolidiert. Die Neubesetzung des mächtigen Ständigen Ausschusses des Politbüros will der 64-jährige Hu Jintao jetzt nutzen, um endgültig den Schatten seines Vorgängers Jiang Zemin (81) loszuwerden.

"Die alte Generation muss verschwinden, bevor die neue Generation wirklich hervortreten kann", zitiert der kritische Journalist Li Datong eine eiserne Regel der chinesischen Politik. Einige ältere Spitzenpolitiker im Ständigen Ausschuss, der heute acht Mitglieder zählt, gehen in Pension. Spekulationen ranken sich darum, ob der neue Parteichef von Shanghai, Xi Jinping (54), und der Parteichef der Provinz Liaoning, Li Keqiang (52), sowie ein oder zwei andere Politiker aufrücken werden. "Hu Jintao kann nur eine Gruppe potenzieller Nachfolger in den Ständigen Ausschuss bringen und abwarten, wer in den kommenden fünf Jahren die meiste Autorität für sich entwickeln kann", schrieb Li Datong im Internetmagazin "openDemocracy".

Ins Alter gekommene "junge Prinzen"

Die Aufsteiger gehören zur neuen Generation, die nicht in Chinas Revolution, sondern in den Grabenkämpfen der Reform und Öffnung seit den 80er Jahren ihren Mann gestanden haben. Einige von ihnen sind ins Alter gekommene "junge Prinzen" (Taizi), die Kinder verdienter Politiker. Meist haben sie Wirtschaft und Jura studiert und gelten als pragmatisch. Viele sind weit gereist, sprechen Englisch und könnten eine neue Form des Dialogs mit dem Ausland aufnehmen. Shanghais Parteichef Xi Jinping hat einen Doktor in Jura, stand früher an der Spitze der Boom-Provinz Zhejiang. Sein Vater war Vizepremier Xi Zhongxun, Architekt der Sonderwirtschaftszonen, in denen in den 80er Jahren erfolgreich der Kapitalismus ausprobiert wurde. Auch Li Keqiang hat Jura studiert und hält einen Doktor in Wirtschaft. Er ist ein früherer enger Mitstreiter in Hu Jintaos Machtbasis, der Jugendliga.

Ob beider Aufstieg gelingen wird, ist noch offen. Ähnlich ist die große Frage unbeantwortet, ob sich Vizepräsident Zeng Qinghong zurückziehen wird. Einige Beobachter sehen in dem Vertrauten des alten Parteichefs Jiang Zemin den zweitwichtigsten Politiker. Der Vizepräsident, der großen Einfluss auf Personalentscheidungen ausübt, hat mit 68 Jahren ein kritisches Alter erreicht. Für seinen Rückzug könnte ein Tauschhandel bei der Besetzung anderer Posten nötig werden, über den sich Zeng Qinghong weiter Einfluss sichert.

Ansätze zur Problemlösung

Fest steht allein, dass Hu Jintaos Idee eines "wissenschaftlichen Entwicklungskonzepts" und einer "harmonischen Gesellschaft" in die Parteiverfassung geschrieben wird. Im Gegensatz zum bisher blinden Wachstum um jeden Preis steckt dahinter zumindest theoretisch ein nachhaltiger Ansatz, der Ressourcen und Umwelt schonen und soziale Ausgewogenheit anstreben soll. Viele Chinesen zeigen aber nur wenig Interesse am Parteitag, da ihre Alltagsprobleme wie die wachsende Kluft der Einkommen, steigenden Kosten für Bildung und Gesundheit oder der Mangel an bezahlbarem Wohnraum am Ende ungelöst bleiben werden.

Von Andreas Landwehr, dpa

Quelle: ntv.de

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