Dossier

Jean-Marie Le Pen Das Gespenst von 2002

Jean-Marie Le Pen ist - zusammen mit der Trotzkistin Arlette Laguiller - der Veteran unter den zwölf Bewerbern um den Elyse-Palast. 1974, nach dem Tod von Georges Pompidou, ging er erstmals ins Rennen. Und 33 Jahre später will er es immer noch wissen. Von seinem Büro im Montretout-Park am Westrand der Hauptstadt blickt Le Pen auf Paris und hat den Amtssitz des französischen Staatschefs fest im Auge: Der 78-jährige Chef der rechtsextremen Nationalen Front (FN) möchte wieder der "Störenfried" der bürgerlichen und auch der gemäßigt linken Parteien sein. Angst vor Einwandererflut und Globalisierung, Unruhe in Problemvierteln der Großstädte und zuletzt die Krawalle in der Pariser Metro, all dies spielt dem bretonischen Vollblutpolitiker wie gehabt in die Hände.

Seit 1972 führt Le Pen die Nationale Front mit straffer Hand gegen das politische "Establishment" in Paris. Wenn er dagegen wettert, wie unsicher die Straßen sind und was mit der "Massenimmigration" auf die Franzosen zukommt, nimmt er wie schon immer kein Blatt vor den Mund. Abfedern lässt Vater Le Pen sein rüdes Reden von Tochter Marine (38), FN-Vize-Chefin und führende Wahlkampfstrategin. Sie äußert sich schon toleranter etwa zu Homosexualität oder Abtreibung, und bekam deshalb von den Medien das Etikett "FN light". Die Zügel blieben indessen bei dem Vater, der seinen größten Triumph am 21. April 2002 feierte, als er zur größten Überraschung auch der Umfrageinstitute an dem Linken Lionel Jospin vorbeizog und in die Stichwahl ums Präsidentenamt kam.

Seitdem wurde immer wieder das "Gespenst von 2002" an die Wand gemalt und aus den Parteien der Mitte vor einem neuerlichen Desaster gewarnt. Die Zerstrittenheit der Linken war es, die Le Pen damals in die Stichwahl und damit zu weltweiten Schlagzeilen verhalf - und auch eingefleischte Gegner von Jacques Chirac dann zwang, zähneknirschend das Image ihres Landes mit einem Kreuz auf dem Wahlzettel für den Neugaullisten zu retten. In Befragungen liegt Le Pen zwar hinter Nicolas Sarkozy, Sgolne Royal und Franois Bayrou. Aber er ist nicht ganz abgeschlagen. Und wer traut in Frankreich schon solchen Umfragen, zumal, wenn es um Le Pen geht?

Bei der Wahl 2002 bekam Le Pen 16,86 Prozent - und keine der Umfragen noch kurz vor dem Urnengang hatte ihn auch nur annähernd in der Stichwahl gesehen. Höhnisch drischt er nun auf Sarkozy ein, wenn dieser mit rechten Parolen in "seinem" Revier fischen geht. Und zu Royal sagt er: "Wir sind mitten im Sturm, da wird man doch nicht die Kommandantin Royal ans Ruder rufen." Er weiß auch schon, wohin er als gewählter Präsident seine erste "Auslandsreise" machen würde: in die unruhigen Problemviertel. Dort punktet er, weil er die Einwanderer als "Kinder der Nation" umwirbt. Präsident kann er zwar nicht werden, wie 2002 bewies. Es bleibt ihm aber die Rolle des "Spielverderbers" - das dann zum letzten Mal, räumt der Polit-Veteran ein.

(Hanns-Jochen Kaffsack, dpa)

Quelle: ntv.de

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