Dossier

Eltern sind misstrauisch Das staatliche Monopol

Nach den verheerenden Pisa-Ergebnissen und den zunehmenden Problemen an den staatlichen Schulen zieht offenbar ein "Jahrzehnt der deutschen Privatschulen" herauf. Unterrichtsausfall, Gewalt und nachlassenden Bildungsqualität lösten schon jetzt einen Run auf Privatschulen aus.

Je mehr Privatschulen aufkommen, desto klarer erscheint die Regel: Eltern, die es sich leisten können, suchen die besten Schulen für den Nachwuchs – wer hingegen weniger Geld für die Ausbildung aufbringen kann, muss oft damit leben, dass die Kinder in Brennpunktschulen mit schlechter Lehrmittelausstattung sitzen. Der Eindruck verfestigt sich bei vielen, dass Bildung von einem gesellschaftlichen Kulturgut zu einer marktwirtschaftlichen Ware wird – ähnlich wie bei der Gesundheit.

Staat fördert soziale Auslese

Längst machen Deutschlands Privatschulen Politiker in Bund und Ländern für die zunehmende soziale Entmischung in den Schulen verantwortlich. "Auch die Kinder von Hartz-IV-Empfängern haben ein Recht auf Privatschulen", sagte der Präsident des Verbandes Deutscher Privatschulen, Michael Büchler, dem Berliner "Tagesspiegel". Weil der Staat allerdings an seinem "Schulmonopol" festhalte, müssten die Privatschulen monatliche Elternbeiträge erheben, die sich ärmere Bevölkerungsschichten nicht leisten können. Während bei staatlichen Schulen nach wie vor sämtliche Kosten übernommen würden, erhielten Privatschulen im Schnitt nur 55 bis 60 Prozent ihrer Kosten erstattet. Den Rest müssten sie über Elternbeiträge oder Sponsoren herbeischaffen. "Das Schulsystem fördert damit die soziale Auslese", sagte Büchler und forderte die Länder, aber auch die Volksparteien, zu grundlegenden Reformen auf. Damit ärmere Bevölkerungsschichten nicht länger ausgeschlossen werden, müsse ein Bildungsgutschein eingeführt werden, den Eltern für jedes Kind erhalten und der an jeder Schule eingelöst werden kann.

Jede Woche eine neue Schule

In Deutschland stieg die Anzahl der Privatschulen von 1991 bis heute auf fast 3000 mit insgesamt fast 650.000 Schülern. Jährlich kommen etwa 50 neue hinzu. Offenbar misstrauen immer mehr Eltern dem Staat in Sachen Schule.

In Deutschland ist es aber im Gegensatz zu den Niederlanden sehr schwierig, eine Privatschule zu gründen. Solche Initiativen brauchen Verwaltungsfachleute und Juristen. Schulkonzepte werden oft mehrmals abgewiesen und müssen überarbeitet werden. In SPD-regierten Ländern sind die Hürden besonders hoch; in Rheinland-Pfalz darf man gar keine gründen. Andererseits gibt es Länder mit einer langen Privatschul-Tradition, wo eine Gründung leichter ist, wie Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hamburg und Baden-Württemberg.

Die Niederlande haben die bunteste Schullandschaft der Welt. Dort besuchen 70 Prozent der Kinder Privatschulen, die aber komplett vom Staat finanziert werden. Dort gibt es 400 Schulprogramme, Deutschland kommt gerade mal auf 150.

Von Peter Poprawa

Quelle: ntv.de

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