Dossier

"CDU hat Personalproblem" Die FDP auf Höhenflug

Die FDP befindet sich in der Wählergunst derzeit auf einem ungeahnten Höhenflug. Nach acht Prozent bei der Bayern-Wahl knackte sie in Hessen bereits die 16-Prozent-Marke und fliegt bundesweit in Umfragen nun gar auf 18 Prozent. 18. Die magische Zahl für die FDP, die ihr Vorsitzender und damaliger Kanzlerkandidat Guido Westerwelle 2002 zur offiziellen Zielmarke er- und sich dabei deutlich verhob. Das Projekt 18 scheiterte und Westerwelle begrub den größenwahnsinnigen Spaßwahlkampf mitsamt Big-Brother-Auftritt, der ihm in den Medien den Titel "Kanzlerkandidat von Fantasialand" einbrachte.

Nicht nur die bittere Erfahrung von 2002 ist es, die Westerwelle angesichts der aktuellen Wahl- und Umfragenerfolge nüchtern bleiben lässt. Grund zum Feiern hätte er eigentlich: Schließlich ist die kleine FDP in der aktuellen forsa-Umfrage nur noch fünf Prozent hinter der Volkspartei SPD.

Nie wieder 18

Doch Westerwelle lässt seine 18-Prozent-Schuhe dieses Mal im Schrank. Die Zahl ist verbrannt – so sehr, dass Westerwelle sie nicht einmal mehr in den Mund nehmen will. "Auch die Umfragezahl zwischen 17 und 19 Prozent lässt uns nicht abheben", erklärte er nach Bekanntwerden der forsa-Werte umständlich. "Wir bleiben auf dem Teppich."

Denn der Parteichef weiß, dass die Basis der FDP eigentlich zu schmal ist für ein so großes Ergebnis. Forsa-Chef Manfred Güllner geht bei 18 Prozent gerade einmal von sechs Prozent Stammwählern aus; sieben Prozent kämen von der Union, die dort "ein bisschen Identität" und einen "klaren Kurs" vermissten.



"Ermunterung an Merkel"

Das bestätigt der Bonner Parteienforscher Gerd Langguth. "Wer als Wähler zur FDP kommt, geht von der CDU weg", erklärt er gegenüber n-tv.de. Die Gewinne zu Lasten der Union seien "eine Ermunterung an Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich stärker marktwirtschaftlich zu positionieren". Es seien taktische Wähler, die "Merkel eigentlich behalten, aber einen stärkeren marktwirtschaftlichen Kurs durchsetzen" wollen, so Langguth. Die Stärke der FDP ist also die Schwäche der Union, "aber nur, solange die FDP eine feste Koalitionsaussage zugunsten der CDU macht". Damit sich die Wechselwähler sicher sein können, wen sie als Kanzler bekommen.

Flanke geöffnet

Schuld an der Unionsschwäche ist CDU-Chefin Merkel. Ähnlich wie Westerwelle mit seinem Spaßwahlkampf 2002 ist sie im Bundestagswahlkampf 2005 für ihren neoliberalen Kurs von den Wählern abgestraft worden und nur knapp an einer Wahlniederlage vorbeigeschrammt. "Die Mehrheit der CDU-Wähler ist nämlich sozialstaatsfreundlich", sagt Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin gegenüber n-tv.de. Seitdem ist die Kanzlerin, auch unter dem Druck der Großen Koalition, vom wirtschaftsfreundlichen Kurs abgerückt und hat dabei der FDP eine Flanke geöffnet: Die marktwirtschaftlich orientierten Wähler der CDU suchen eine neue Heimat, die sie bei den Liberalen finden.

"Die FDP ist klar positioniert, das wird honoriert", meint Niedermayer. Der Parteienexperte sieht die FDP-Stammwähler mittlerweile in Richtung Zweistelligkeit anwachsen. Das sei nicht nur mit der Schwäche der Union zu begründen, sondern auch "teilweise auf die FDP zurückzuführen". Zum einen habe Westerwelle an Statur gewonnen und könne in den persönlichen Bewertungen zulegen; zum anderen sei die positive Darstellung in den Medien, vor allem der regelrecht "Hype" nach der Hessenwahl, für die steigenden Umfragewerte mitverantwortlich.

Trotzdem bleibt auch für Niedermayer der wichtigste Erfolgsgrund für den Höhenflug der FDP die Schwäche der Union. Merkels Positionsverschiebung nach links hat nicht wie beim umgekehrten Weg der SPD eine neue Partei entstehen lassen. Die FDP war bereits zur Stelle und hat dankbar die verschreckten Wähler aufgefangen.

Der Guttenberg-Effekt

Das große Problem der CDU ist, dass Merkel nicht nur die Positionen verschoben, sondern auch die entsprechenden Personen aus der Parteiführung gedrängt hat. "Es gibt bei der CDU niemanden, der den Wirtschaftsflügel repräsentiert. Es fehlt ein Kopf", analysiert Niedermayer. Nach Ansicht des Parteienforschers kann die CDU deshalb kurzfristig auch wenig gegen den Erfolg der FDP unternehmen, "sie hat ein Personalproblem". Einzige Hoffnung: Der Guttenberg-Effekt.



"Der neue Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg könnte einen Effekt auf die Stärke der FDP haben und Stimmen für die Union zurückholen", meint Langguth. Wenn er sich erfolgreich etabliert. Dem stimmt auch Niedermayer zu. "Wenn er schnell in sein Amt reinwächst, könnte er die Rolle des Wirtschaftsflügelvertreters übernehmen." Da er allerdings von der CSU kommt, bleibe das Problem für die CDU bestehen. "Sie muss diese Flanke abdecken. Für die Parteiseele ist es nicht gut, wenn man schrumpft", sagt Niedermayer.

Doch gegenwärtig sieht es nicht so aus, als könnte die Union ihre Wähler so schnell zurückholen. "Wenn die FDP keine gravierenden Fehler macht, stehen ihre Chancen gut", sagt Niedermayer. Das könnte auch daran liegen, dass nach Meinung von Parteienforscher Langguth die "Stärke der FDP ein Generalfrust über die Große Koalition" ist. Und das könnte für die Union nach Meinung Langguths schlimme Folgen haben: "Sollte die Große Koalition fortgesetzt werden, werden die beiden großen Parteien eine Erosion erleben, wie wir sie bereits jetzt bei der SPD beobachten können."

Quelle: ntv.de

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