Motor surrt wieder EU-Kern nicht gespalten
04.03.2008, 13:55 UhrEs begann mit einer Charme-Offensive. Mindestens ein Dutzend Mal sprach Nicolas Sarkozy bei der Eröffnung der CeBIT-Computermesse die "liebe Angela" freundschaftlich an und lobte die deutsch-französische Zusammenarbeit in höchsten Tönen. Nach einem Vier-Augen-Gespräch und einem Abendessen mit Lammrücken, Grünkohl und Bratkartoffeln im Gästehaus der niedersächsischen Landesregierung war dann große Eintracht angesagt.
Mit der Einigung auf eine neue EU-Mittelmeerunion als Projekt aller 27 Mitgliedsländer der Europäischen Union ist einer der größten Konfliktpunkte zwischen dem französischen Staatschef und der Bundeskanzlerin gelöst - zumindest vorerst. Merkel und Sarkozy, so lautet ihre Vereinbarung von Hannover, werden Ende kommender Woche den anderen 25 Staats- und Regierungschefs beim Gipfel-Abendessen in Brüssel gemeinsam ihre Vorstellungen für die künftige Mittelmeerpolitik der EU präsentieren.
Union ersetzt Prozess
Der Begriff "Mittelmeerunion" wird also offizieller EU-Sprachgebrauch - als französische Initiative, aber nicht als französischer Sonderweg. Er wird die neue Bezeichnung für die gemeinsame EU-Mittelmeerpolitik, die bislang als "Barcelona-Prozess" firmierte. Vom Schreckgespenst einer Spaltung der EU in verschiedene regionale Bündnisse, wie dies Merkel für den Fall eines Pariser Alleingangs an die Wand gemalt hatte, war keine Rede mehr.
Im Gegensatz zur Ost-Erweiterung hat die südliche EU-Kooperation - 1995 zusammen mit zwölf Mittelmeerstaaten in der spanischen Hafenstadt Barcelona ins Leben gerufen - nie richtig Schwung bekommen. Für verschiedene Projekte von Forschung und Energie über die gemeinsame Verkehrsplanung bis zur Bekämpfung des Terrorismus standen bis 2007 insgesamt 16 Milliarden Euro zur Verfügung. Nur 60 Prozent des Geldes flossen tatsächlich. Israel und die arabischen Staaten kamen sich im Barcelona-Prozess auch nicht näher.
Deutsch-Französisch zieht wieder
Jetzt will Sarkozy aus der Mittelmeerunion ein Prunkstück der französischen EU-Ratspräsidentschaft machen, die im Juli beginnt. In Hannover holte er sich dafür Merkels Zustimmung. Nach den wochenlangen Irritationen im beiderseitigen Verhältnis mit der kurzfristigen Absage von Spitzentreffen und immer wieder neuen französischen Wendungen bei EU-Projekten wollen Merkel und Sarkozy ihren Partnern neue Eintracht zeigen.
So schoben beide nach ihrem eineinhalbstündigen Tte--tte in Hannover noch weitere gemeinsame Projekte vor die Kulisse, um zu signalisieren, dass der deutsch-französische Motor wieder durchstarten soll. Bekämpfung von Steueroasen, Klimaschutz, Energieversorgung und Verteidigungspolitik - zu diesen zentralen Themen von Sarkozys EU-Präsidentschaft wird es deutsch-französische Arbeitsgruppen geben. "Es passt kein Blatt Papier zwischen uns", schob Sarkozy Fragen beiseite.
Wie lange das hält, darauf will niemand im Berliner Regierungslager Wetten annehmen. Zu oft hat der sprunghafte Mann im Elyse unter dem Einfluss seiner Berater Positionen gewechselt, die fest vereinbart schienen. Dabei geht es nicht nur um Atmosphärisches, stellte Sarkozy selbst bei der CeBIT klar. Die "wirtschaftspolitischen Kulturen" beider Länder seien nur schwer aufeinander abzustimmen. Aber, so fügte er hinzu: "Europa kann sich keine Kluft zwischen Deutschland und Frankreich leisten."
Von Frank Rafalski, dpa
Quelle: ntv.de