G8 im Erdbebengebiet Eine Schnapsidee?
24.04.2009, 14:44 UhrManche rieben sich verwundert die Augen und dachten an einen späten Aprilscherz des "Cavaliere". Silvio Berlusconi hat sein Kabinett in dem geschundenen Abruzzen-Erdbebengebiet etwas ziemlich Überraschendes absegnen lassen: Der Anfang Juli auf der pittoresken Mittelmeerinsel La Maddalena vor Sardinien vorbereitete G8-Gipfel soll kurzerhand in die geschundene Abruzzen-Hauptstadt L'Aquila verlegt werden.
Wirklich so überraschend? Der Mailänder Medienzar und Milliardär war doch immer schon für verblüffende Vorstöße gut, auch wenn viele sie schlicht für rechte Schnapsideen hielten und die Köpfe schüttelten. Eine der Fragen lautet jetzt: Stimmen die anderen Sieben vom Club der Reichen zu? Und was ist, wenn US-Präsident Barack Obama gerade mit Kanzlerin Angela Merkel diniert und die Erde stärker bebt?
Berlusconi schwimmt in Italien auf einer Welle der Popularität, auch wenn die internationalen Medien ihn ganz anders ins Rampenlicht stellen. Nach dem verheerenden Beben vom 6. April nordöstlich von Rom war er ständig bei den Betroffenen. Und nur deutsche Fernsehzuschauer konnten sich über seinen Rat an die Menschen in den provisorischen Zeltstädten empören, sie sollten das als "Camping-Wochenende" nehmen.
Unbesonnener Werbegag
Als Italien zusammenstand und die Hilfsmaßnahmen klappten, kam das auch dem allzeit präsenten Berlusconi zugute. Jetzt will er sich dazu noch eine Krone aufsetzen - die Welt aufmerksam auf die verwüstete Region machen, mit der Verlegung viel Geld sparen, das dringend in den Abruzzen gebraucht wird und sich von den Italienern feiern lassen.
Die linke Opposition hält das für einen unbesonnenen Werbegag. Doch so, wie er verbal gern immer wieder ins Fettnäpfchen tritt, ist Berlusconi auch in seinen Ideen - unberechenbar, merkwürdig und wandelt oft auf unausgetretenen Pfaden. Nach dem Höhepunkt der zum Himmel über Neapel stinkenden Müllkrise wollte er "seinen" G8-Gipfel zuerst in die kampanische Metropole verlegen, um der Welt zu zeigen, "dass dies die sauberste Stadt ist". Ein Kreuzfahrtschiff sollte die großen Acht, von La Maddalena aus bis nach Neapel schippern. Was er sich jetzt ausgedacht hat, könnte allerdings ein noch weit schlimmeres Schreckens-Szenario für den Secret Service und all die anderen Sicherheitsbeamte werden. Doch Berlusconi beschwichtigt schon: Die Globalisierungsgegner würden es doch wohl nicht wagen, in der so vom Erdbeben geschundenen Stadt L'Aquila auf den Putz hauen zu wollen.
Entscheidung liegt bei Italien
Nun ist er dabei, das Plazet der anderen einzuholen. Als erstes gab man in Downing Street grünes Licht, wie Berlusconi an seinem römischen Regierungssitz Palazzo Chigi zufrieden zur Kenntnis nahm: "Die Entscheidung, wo der G8-Gipfel abgehalten wird, obliegt der italienischen Regierung", sagte die Sprecherin von Premier Gordon Brown, Lynn Eccles, während in Berlin und Washington zunächst noch darüber nachgedacht wurde, was man von dieser Idee zu halten habe. Proteste gab es verständlicherweise auf der Mittelmeer-Insel, denn dort hat man bereits viel Geld in die Gipfel-Infrastruktur gesteckt. Doch auch für die Sarden hat Berlusconi ein Bonbon zur Entschädigung - La Maddalena könnte doch Obamas Umweltgipfel im Herbst beherbergen.
Bis zum G8-Gipfel unter Berlusconis Präsidentschaft sind es nur noch zweieinhalb Monate. L'Aquila liegt weitgehend zerstört danieder. Die gesamte riesige Organisations-Maschinerie für die Tausenden von Mitarbeitern, Diplomaten, Journalisten und Sicherheitsleute müsste gebremst und umgeleitet werden. Zumindest weiß Berlusconi bereits, wo die Großen sich treffen - im Ausbildungszentrum der Finanzpolizei, in dem Italien Abschied von den Bebenopfern nahm und das Kabinett tagte.
Hanns-Jochen Kaffsack, dpa
Quelle: ntv.de