Dossier

Merkels Politikstil stößt an Grenzen "Eine Watschn für die Bundesregierung"

Seine Zeit scheint vorbei: Jürgen Rüttgers hat die Wahl klar verloren.

Seine Zeit scheint vorbei: Jürgen Rüttgers hat die Wahl klar verloren.

(Foto: picture alliance / dpa)

Für den relativen Erfolg bei den Landtagswahlen sind die Genossen nicht selbst verantwortlich, meint der Politikwissenschaftler Klaus Schubert. Vielmehr profitiere die SPD von der Frustration der Wähler, die Schwarz-Gelb für ihren holprigen Start in Berlin abstrafen wollten. Schuld an dem Debakel der Koalition sei vor allem die "One-Man-Show" Guido Westerwelle, aber auch die Kanzlerin höchstselbst. Für sie würden nun "die Grenzen eines Politikstils sichtbar, der auf Moderation aus ist".

n-tv.de: Schwarz-Gelb hat die Landtagswahlen verloren. Ist das ein Erfolg der SPD und ihrer Spitzenkandidatin Hannelore Kraft oder eine Niederlage der CDU und Jürgen Rüttgers?

Klaus Schubert: Das ist eine ganz eindeutige Niederlage der CDU und der FDP. Sie sehen ja, dass auch die SPD Federn lassen musste. Es ist also kein Sieg der Sozialdemokraten, selbst wenn es für eine rot-grüne Koalition reichen könnte.

Die Grünen sind der große Gewinner der Wahlen, sie konnten ihr Wahlergebnis verdoppeln. Werden sie jetzt auch zum Königsmacher?

Bei den Grünen hat sich der sehr pragmatische Kurs, der von Frau Löhrmann gefahren wurde, ausgezahlt. Bei der Frage der Koalitionsbildung geht es meiner Einschätzung nach um die Chemie, und die stimmt zwischen Frau Kraft und Frau Löhrmann. Insofern hat eine rot-grüne Koalition eine höhere Chance als eine schwarz-grüne. Ich denke, die Grünen hätten bei dem Wahlergebnis auch erhebliche Schwierigkeiten, ein Bündnis mit der CDU zu vermitteln.

Inwieweit spiegelt das Wahlergebnis die Verunsicherung der Wähler über den Kurs der Bundesregierung wieder?

Wir gehen im Moment von 59 Prozent Wahlbeteiligung aus, das ist sehr wenig. Das hat damit zu tun, dass ein Großteil der Bevölkerung schlicht frustriert ist. Insofern würde ich nochmal unterstreichen: Das ist kein Sieg der SPD, davon würde ich nur bei einer höheren Wahlbeteiligung sprechen.

Wenn man außerdem die Wahlprognosen betrachtet, sieht man, dass die hier im Land mit dem miserablen Start der Regierung gekippt sind. Dann kam die Affäre um die Finanzierung des CDU-Wahlkampfes dazu, so dass der Ministerpräsident an Glaubwürdigkeit verloren hat. Das sind die beiden Punkte, die zum Wahlausgang geführt haben.

Die FDP muss eine herbe Niederlage einstecken. Es scheint, als sei der Sieg bei der Bundestagswahl nur ein Leuchtfeuer gewesen. Was sind die Ursachen für den schnellen Niedergang der Liberalen?

Das große Problem ist, dass die FDP im Prinzip zu einer One-Man-Show verkommen ist. Die FDP hat sich als liberale Partei immer dadurch ausgezeichnet, dass da eine gewisse Anzahl von knorrigen Politikern für die Gesamtpartei standen. Im Augenblick haben wir nur einen, der die Partei darstellt. Das ist sicher nicht förderlich. Westerwelle war ja als Wahlkämpfer zunächst gar nicht gern gesehen, erst vor ein paar Tagen ist er dann doch - mal hässlich gesagt - ins Land gelassen worden. Das hat aber an dem Ergebnis offensichtlich nichts geändert.

Sieht so Rückhalt aus? Die Führungsriege der Liberalen lauscht der Stellungnahme ihres Parteivorsitzenden.

Sieht so Rückhalt aus? Die Führungsriege der Liberalen lauscht der Stellungnahme ihres Parteivorsitzenden.

(Foto: dpa)

Muss er jetzt um den Rückhalt seiner Partei fürchten?

Meine Prognose wäre in der Tat, dass in der FDP jetzt eine Diskussion aufkommt, das Amt des Außenministers und des Parteivorsitzenden zu trennen. Philipp Rösler und auch Martin Lindner, der ja auf dem Parteitag gefeiert wurde, könnten als Nachfolger zur Debatte stehen.

Aller Voraussicht nach zieht die Linkspartei in den Düsseldorfer Landtag ein. Hat sich damit auch im ehemaligen Westteil der Bundesrepublik ein Fünf-Parteien-System etabliert?

Die Linke ist ja regional sehr unterschiedlich aufgestellt. In einem großen Bundesland in den Landtag zu kommen, ist ein Riesenerfolg. Allerdings ist die Linke hier im Land eine außerordentlich bunte Truppe, und der Wähler muss erst sehen, ob da überhaupt so etwas wie ein gemeinsames Auftreten und ein gemeinsames Programm möglich ist.

Angenommen, es reicht nicht für eine rot-grüne Koalition - gibt es eine Koalitionsoption mit der Linkspartei, oder würde das in einem ähnlichen Debakel wie in Hessen enden?

Ich glaube aus einem simplen Grund nicht daran. Nach dieser Wahl wird sowohl im Bund als auch im Land eine Politik von Blut, Schweiß und Tränen anbrechen, weil es darum geht, die Finanzkrise in den Griff zu kriegen. Dafür braucht man Koalitionen, die bereit sind, gemeinsam durch dick und dünn zu gehen. Und das kann man von den Linken im Augenblick nicht erwarten. Sie sind, positiv ausgedrückt, dabei, sich zu finden. Aber die enormen Belastungen, die harten Einschnitte, die es geben wird, würden die junge Partei hier zerreißen.

Es ist schwer, in dieser frühen Phase schon einen Ausblick zu wagen - aber wie schätzen sie die Auswirkungen dieses Ergebnisses auf die Bundespolitik ein?

Eine Beziehung mit Hindernissen: Guido Westerwelle und Angela Merkel.

Eine Beziehung mit Hindernissen: Guido Westerwelle und Angela Merkel.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das ist wirklich außerordentlich schwierig. Die Bundesregierung hat eine ganz dicke Watschn bekommen. Aber es ist nicht zu prognostizieren, welche Auswirkungen das haben wird. Man muss abwarten, wie die beiden Parteien, die hier grandios verloren haben, das intern verarbeiten. Ob sie sich bundespolitisch neu aufstellen, das muss man sehen. Inhaltlich heißt das Ergebnis: Wir werden keinen Krankenversicherungsreform bekommen, und auch Steuererleichterungen werden sich nicht durchsetzen lassen, Die Bundesregierung ist zu einem gewissen Grade eine "lame duck". Das ist sehr bedauerlich, denn die Regierung hat mit größeren Projekten bis jetzt gewartet, um mit dem Rückenwind aus Nordrhein -Westfalen ihre Ziele umzusetzen. Nun ist das Gegenteil eingetreten.

Also hat die Koalition einen strategischen Fehler begangen?

Ja. In der Finanzkrise I haben Merkel und Steinbrück sofort gehandelt und damit einen außerordentlich positiven Eindruck vermittelt: Wir können in der Krise etwas bewegen. Und nun schauen sie sich das Management in der Griechenland-Krise an. Die Kanzlerin schwankt, und der Außenminister schimpft auf die Griechen. Das führt zu einer stärkeren Verunsicherung im eigenen Land, wo Sicherheit in einer Krisensituation gefragt wäre.

Prof. Klaus Schubert lehrt an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.

Prof. Klaus Schubert lehrt an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.

Also trägt die Kanzlerin eine Mitverantwortung für dieses schlechte Ergebnis?

Ja, ich denke hier werden die Grenzen eines Politikstils sichtbar, der auf Moderation aus ist. Wenn man einen starken Partner hat, wie im schwarz-roten Bündnis, ist so eine Moderation womöglich ertragreich. In einer Koalition mit einem kleinen Partner, der versucht, große Pläne umzusetzen, nicht.

Quelle: ntv.de, Mit Klaus Schubert sprach Christian Bartlau

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