Dossier

Nicht offen ausgesprochen Es kriselt bei der NATO

Nichts ist in Ordnung. In Afghanistan kehrt kein Frieden ein. Die NATO befürchtet dort ihr eigenes Scheitern. Die Verbündeten ziehen nicht an einem Strang. Eine Einigung mit dem Iran über seine Atompolitik ist nicht in Sicht. In Europa, vor der Haustür Deutschlands, kann man noch nicht von Stabilität auf dem Balkan sprechen, vom Kosovo ganz zu schweigen. In diese Gemengelage fällt an diesem Wochenende die internationale Sicherheitskonferenz in München. Ihr Titel: "Eine Welt in Unordnung - veränderte Machtverhältnisse - fehlende Strategien". Diese Überschrift hätte die weltweit beachtete Tagung aber auch schon im Vorjahr und im Vorvorjahr haben können.

Der scheidende Veranstalter der Konferenz, Horst Teltschik, sagt, es gebe immer mehr Konflikte auf der Erde, doch die internationale Staatengemeinschaft wisse immer weniger, wie sie mit ihnen umgehen solle. Es herrsche "Hilflosigkeit".

Nur miteinander reden

Die Protagonisten internationaler Verteidigungspolitik haben seit Donnerstag vier Tage Zeit, vor aller Welt, im kleinen Kreis oder unter vier Augen über die Schwächen zu sprechen. Im litauischen Vilnius treffen sich bis Freitag informell die NATO-Verteidigungsminister. Viele von ihnen reisen im Anschluss direkt nach München zur Sicherheitskonferenz. Beschließen müssen sie nichts. Beide Veranstaltungen dienen "nur" dazu, zu reden. In Anbetracht der Problematik ist das aber derzeit erst einmal das Wichtigste.

Denn Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagt, niemand in der NATO - weder Politiker noch Generale - hätten Deutschland direkt aufgefordert, Soldaten in den umkämpften Süden Afghanistans zu schicken. "Kein Wort", "kein einziger Satz", sei gefallen. Dennoch spricht die halbe Welt von einem großen Druck, der auf der Bundesregierung laste, die Bundeswehr nicht nur im ruhigeren Norden Afghanistans, sondern auch im Süden einzusetzen.

Deutschland nicht unter Druck?

Und öffentlich lobt NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer auch in Vilnius wieder das Engagement der rund 3300 deutschen Soldaten in Afghanistan. "Ich glaube, die Deutschen machen sehr gute Arbeit." Er wolle, dass die NATO in Afghanistan möglichst flexibel operieren könne. "Ich bin Realist. Ich weiß, dass der Deutsche Bundestag einige Beschränkungen möchte." Anders als Jung hören offensichtlich viele Mitstreiter zwischen diesen Zeilen heraus, dass der NATO-Chef nicht nur realistisch, sondern auch enttäuscht und unzufrieden über den deutschen Weg ist.

US-Verteidigungsminister Robert Gates nennt Deutschland zwar auch nicht beim Namen, wenn er sich über Versäumnisse von Verbündeten beklagt. Aber ebenso wenig erwähnt er die deutschen Leistungen, wenn er den Einsatz von Partnern würdigt: "Die Kanadier, die Briten, die Australier, die Niederländer und die Dänen sind wirklich da draußen und kämpfen. Aber es gibt eine Menge andere, die das nicht tun."

Probleme ungelöst

Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Teltschik, meint, es reiche bei weitem nicht aus, was die NATO-Mitgliedstaaten bisher an finanzieller und wirtschaftlicher Aufbauhilfe in Afghanistan geleistet hätten. Auch Deutschland werde sich aus dieser Zwickmühle nicht mehr lösen können. "Wir kommen nicht darum herum, mehr militärische Unterstützung auch im Süden Afghanistans zu leisten", sagt er n-tv.de. Die Tagung am Wochenende ist seine letzte als Veranstalter. Der 67-Jährige geht, die Probleme bleiben.

Von Kristina Dunz und Christoph Trost, dpa

Quelle: ntv.de

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