Dossier

"Wir sind unser eigenes Lager" FDP als Single

Bündnisfragen spielten für die FDP diesmal keinerlei Rolle. Kein Antrag, kein Redebeitrag beschäftigte sich beim FDP-Bundesparteitag am Wochenende in München mit der Frage, mit wem aus FDP-Sicht künftig am besten liberale Politik in Deutschland durchgesetzt werden kann. Guido Westerwelle, seit sieben Jahren Parteivorsitzender, seit zehn Jahren in der Opposition, setzte ganz bewusst auf freidemokratische Eigenständigkeit: ""Wir sind nicht zuerst Koalitionspartner (...) wir sind unser eigenes Lager."

SPD-Chef Kurt Beck und seinem Ampel-Werben aus dem nicht weit entfernten Nürnberg zeigte der FDP-Vormann demonstrativ die kalte Schulter. Von der "neuen Offenheit" in Koalitionsfragen, die erst nach den Landtagswahlen in Hessen und Hamburg von der FDP-Führung verkündet worden war, sprach auch sonst niemand. Kräfte- und Themen-Sammeln für das Wahljahr war vielmehr angesagt.

Die Kernkompetenz der FDP

Die FDP verfolgte in München vor allem zwei Ziele. Als erste Partei legte sie ein geschlossenes Konzept in der Steuerpolitik - Westerwelle: "die Kernkompetenz der FDP" - vor. Zum anderen schrieb sie sich wie schon lange nicht mehr die bürgerlichen Freiheiten auf die Fahnen. "Es war die beste Rede, die er je auf einem Parteitag gehalten hat", befand Parteipatriarch Hans-Dietrich Genscher anschließend.

Leidenschaftlich wie selten bei dieser Frage geißelte der FDP-Chef die "Salamitaktik" beim Abbau von Datenschutz und Bürgerrechten - ob beim Staat oder bei Privatunternehmen. Die Schlagzeilen über die Bespitzelungen bei der Telekom hatten auch ihn schockiert. Doch in München wurden vor allem die anstehenden Wahlkämpfe in Bayern und im Bund eingeläutet.

Anwalt der vergessenen Mitte

Westerwelles neues Steckenpferd mit dem Slogan "Wir sind der Anwalt der vergessenen Mitte" ist inzwischen FDP-Programm. Als erster hatte der FDP-Vormann beim Dreikönigstreffen 2007 die mit Steuern und Abgaben belastete Mittelschicht als Adressaten der FDP-Politik entdeckt. Inzwischen ist das fast Allgemeingut bei den Parteien.

Bei der Umsetzung wird es schwieriger. Auch bei der FDP, wie die heftige Debatte über ein schlüssiges Steuerkonzept am Sonntag zeigte. Das Ringen bei diesem Thema war zugleich ein innerparteiliches Schaulaufen der potenziellen Ministerkandidaten, sollte die FDP mal wieder den Sprung in die Bundesregierung schaffen.

Da gibt's was zu verteilen

Die Parteivizes Andreas Pinkwart und Rainer Brüderle sowie FDP-Finanzenpapst Hermann Otto Solms sind seit München startbereit: "Es geht auf die Wahl zu, da gibt's was zu verteilen", sagte ein FDP-Mann. Mit einer Aufstockung der Steuerentlastung von 28 auf 33 Milliarden Euro fanden Pinkwart und Solms in letzter Parteitagsminute schließlich einen Kompromiss.

Die Partei der Nächstenliebe

Das Gegrummel im Vorfeld des Parteitags, die Kritik auch führender Liberaler an einer fehlenden Wertedebatte und einer zu engen Bandbreite des FDP-Angebots war am Ende des Parteikonvents wieder verstummt. Westerwelles Signal war: Ich habe verstanden. Selbst das Wort "Nächstenliebe" tauchte in seiner Rede auf.

Neben den Bürgerrechten besetzte er auch das Thema Außenpolitik wieder stärker. Sie war einst ein Markenzeichen der FDP. Westerwelles Außenminister-Ambitionen sind parteiintern inzwischen unstrittig. Bei dem Thema Bildung dagegen - früher ebenfalls ein Steckenpferd der FDP - fehlen weiter neue Impulse und Köpfe.

Die Deppen der Nation

"Die FDP ist ein Team", besänftigte Westerwelle Kritiker seines Führungsstils. Und er könne das Gerede über einen fehlenden "philosophisch-intellektuellen" Tiefgang auch nicht mehr hören. Wie zum Beweis drosch Westerwelle schließlich mit Wonne auf die große Koalition ein: "Bei dieser Regierung sind alle, die arbeiten, die Deppen der Nation." Und er versicherte: "Ich habe nicht die Absicht, die volksnahe Sprache den anderen zu überlassen."

Quelle: ntv.de

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