Dossier

Opfer seiner Leidenschaft FDP bricht Möllemann-Tabu

Als Jürgen W. Möllemann am 5. Juni 2003 am Fallschirm in den Tod sprang, hinterließ er in seiner früheren Partei Entsetzen und eine bleierne Lähmung. Auch fünf Jahre danach hat die FDP mit ihrer schillernden einstigen Führungsfigur noch nicht abgeschlossen. "Jetzt kommt noch die Schlussabrechnung für seine Finanzmanipulationen", sagt der Chef der FDP-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, Gerhard Papke. "Das gehört mit zu seinem Erbe." Trotzdem teilt er ein Gefühl mit Möllemanns Nachfolger an der Parteispitze der NRW-FDP, Andreas Pinkwart: "Umso mehr Zeit vergeht, desto mehr erinnert man sich auch an seine unbestrittenen Verdienste."

Die FDP will ihren einstigen Bundes-Vize trotz Parteispenden-Affäre und seines zuletzt als anti-israelisch kritisierten Politik-Schwenks nicht länger aus ihrer Parteigeschichte verdrängen. "Er war kein Antisemit", sind Pinkwart und Papke sich in ihrem Urteil über den langjährigen Weggefährten einig. "Aber er hat ganz gezielt den rechten Rand bedient, hat damit gespielt und versucht, das zu benutzen", kritisiert Pinkwart. "Auch das ist nicht zulässig."

Dass Möllemann vor dem Bundestagswahlkampf 2002 ein Flugblatt mit Kritik an der israelischen Regierung verdeckt über sein Privatvermögen finanziert hat, wird die FDP noch teuer zu stehen kommen. Rund 1,8 Millionen Euro hat die NRW-FDP vorsorglich an Rückstellungen für etwaige Strafzahlungen an die Bundestagsverwaltung in ihre Bilanz eingestellt, 874.000 Euro mit Hilfe eines Kredits bereits unter Vorbehalt bezahlt. Der Bescheid soll in Kürze eintreffen. Derzeit schuldet die NRW-FDP den Banken nach eigenen Angaben knapp 600.000 Euro.

Sie kämpft mit dem Mitgliederschwund aller traditionellen Parteien, hatte aber keinen spezifischen "Möllemann-Knick" zu verkraften. Rund 15.800 Mitglieder zählt die NRW-FDP heute, rund 17.000 waren es 2002, im letzten Jahr als Möllemann noch Landesparteichef war.

Pinkwart sorgt für Ansehen der FDP

Pinkwart trauten viele nicht zu, den charismatischen Vollblutpolitiker Möllemann zu ersetzen. Er kann aber für sich verbuchen, einen damals angeschlagenen Landesverband konsolidiert, in Regierungsverantwortung geführt und die Reihen hinter sich geschlossen zu haben. "Wir brauchen Ansehen und Aufsehen", betont der 47-jährige Chaos-Forscher. "Im Team spielen und von persönlichen Verletzungen weitgehend Abstand nehmen", beschreibt der NRW-Vize- Regierungschef und Forschungsminister seinen Kurs.

Inzwischen erinnert sich die FDP aber auch wieder an Grundlagen, die ihr einstiges Zugpferd Möllemann für Wahlerfolge der FDP gelegt hat. "Sich mit Themen bei allen Bürgern verankern, um auch für kleine Leute wählbar zu sein - das war sein Credo und sein Verdienst", unterstreicht Pinkwart. Dafür habe Möllemann in unvergleichlicher Wiese gekämpft - "mit seiner Sportlichkeit, mit seiner Fröhlichkeit, mit seinem Witz".

Moralische Lehren aus Möllemanns Schicksal

Seine Weggefährten haben jedoch auch moralische Lehren aus dem tragischen Schicksal des einstigen Vize-Kanzlers gezogen, der wenige Monate vor seinem Tod mit einem Austritt aus der FDP dem drohenden Ausschluss zuvorkam. "Er wurde zum Opfer seiner eigenen politischen Leidenschaft, weil er Grenzen überschritten hat, die ein Politiker nicht überschreiten darf", sagt Papke. "Er war eine zutiefst beeindruckende Persönlichkeit, die Menschen mitreißen konnte, aber er wurde auch von seinem populistischen Erfolg mitgerissen." Insofern sei Möllemann, "ein warnendes Beispiel, was passieren kann, wenn man sich der Politik zu sehr ergibt."

Wie sehr Möllemanns Witwe Carola heute noch unter dem plötzlichen Verlust ihres Mannes leidet, lässt sie die Öffentlichkeit nicht wissen. Keine Talkshow hat sie darüber je ausfragen können, kein Landesparteitag hat die 58-Jährige seitdem wieder zu Gesicht bekommen. Dennoch ist Carola Möllemann-Appelhoff weiter engagiert als Fraktionschefin für die FDP in Münster tätig, wo sie mit ihrem Mann lebte.

Während die Ermittler am 5. Juni 2003 ihr Haus durchsuchten, sprang der ausgebildete Fallschirmjäger über dem Flugplatz Marl-Loemühle in den Tod. Fremdverschulden schlossen die Ermittler aus.

Von Bettina Grönewald, dpa

Quelle: ntv.de

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