Dossier

Mit Klebeband überm Mund Gemetzel bei Frankreichs Sozialisten

Manuel Valls möchte bei der nächsten  Wahl gegen Sarkozy antreten.

Manuel Valls möchte bei der nächsten Wahl gegen Sarkozy antreten.

(Foto: REUTERS)

Die Augen leicht zusammengekniffen, den Mund mit dunkelgrauem Klebeband verklebt, farblich passend zum Sakko - so präsentiert sich der Unruhestifter bei den französischen Sozialisten auf einem Interviewfoto. Die Botschaft ist klar: Manuel Valls, der nichts lieber als in drei Jahren Präsidentschaftskandidat werden möchte, protestiert gegen das Redeverbot, das ihm seine Parteichefin Martine Aubry öffentlich auferlegt hat. Aubry bereut dies vermutlich längst; sie hätte ihrem Rivalen kaum einen größeren Gefallen tun können, als ihn auf diese Weise ins Rampenlicht zu schieben.

Über Frankreichs Grenzen hinaus bekannt

Der 47-jährige Bürgermeister von Evry im Großraum Paris hat es dank seines Streits mit der Parteichefin geschafft, auch über die Grenzen Frankreichs hinaus Aufmerksamkeit zu bekommen. Der "Economist" meint, dass Valls mit seiner Parteikritik Recht habe. Die "Financial Times" räumte ihm kürzlich eine ganze Kolumne ein, in der er seinen Willen zur Präsidentschaftskandidatur bekräftigte. Die spanische Zeitung "El País" druckte am Wochenende das Klebeband-Foto neben einem Interview, in dem er betont, dass es für die Sozialisten in Frankreich keine Hoffnung mehr gebe. "Wir müssen uns völlig wandeln, ansonsten werden wir untergehen", sagte er.

Es ist nichts Ungewöhnliches, dass die französischen Sozialisten sich untereinander so sehr bekriegen, dass sie darüber ihre Oppositionsarbeit zu vergessen scheinen. In diesem Sommer geht es allerdings besonders heftig zu - und Aubrys Führungsstil gerät bei den eigenen Parteimitgliedern immer mehr in die Kritik.

"Mein lieber Manuel"

Valls hatte die Europawahl abgewartet, um die eigene Partei anzugreifen. Nach dem die französischen Sozialisten lediglich auf 16,5 Prozent gekommen waren, warf er Aubry vor, "ein längst überholtes Konzept von der Partei zu haben". "Mein lieber Manuel", antwortete ihm diese in einem Brief, der die Medien eher erreichte als seinen Adressaten. Valls möge auf öffentliche Kritik verzichten oder die Partei verlassen, warnte sie - und löste damit erst recht große Aufregung bei der Oppositionspartei aus

Zahlreiche Sozialisten stellten sich hinter den jungen Aufmüpfigen - wohl nicht zuletzt mit dem Kalkül, dass er eines Tages politische Macht bekommen und sich bei seinen frühen Unterstützern erkenntlich zeigen werde.

Von Touristen nach dem Weg gefragt

Aubry traut derzeit kaum jemand zu, als Präsidentschaftskandidatin gegen Sarkozy anzutreten. Um ihre frühere Rivalin Ségolène Royal ist es still geworden. Auch deren Ex-Lebensgefährte und Ex-Parteichef François Hollande hat nicht mehr viel zu sagen. Kürzlich wurde Hollande in einem Pariser Café von französischen Touristen nach dem Weg gefragt, die ihn offenbar nicht einmal erkannt hatten.

Valls selber denkt vermutlich längst über 2012 hinaus. Sein wichtigster interner Rivale heißt ohnehin weder Aubry noch Royal, sondern Dominique Strauss-Kahn, derzeit Chef des Weltwährungsfonds und immer noch einer der beliebtesten Politiker Frankreichs. Sollte Sarkozy 2012 eine zweite Amtszeit gewinnen, dann hätte Valls 2017 gute Chancen, für die Sozialisten ins Rennen zu gehen - "Elefanten" der alten Garde der Partei wie Strauss-Kahn haben dann nämlich längst das Rentenalter erreicht.

Quelle: ntv.de, Ulrike Koltermann, dpa

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