Gaza und Westjordanland Getrennte Welten
15.09.2007, 19:20 UhrSein in Essig eingelegtes Gemüse sorgt während des Fastenmonats Ramadan normalerweise für Menschentrauben in Gaza. In jüngster Zeit allerdings bleibt der Verkaufsstand von Mahmud al-Helo leer. Keiner kauft Gemüse für üppige Festmahle, die sonst nach dem Verzicht am Tage bei den fastenden Muslimen abends üblich sind. Die Geschäfte laufen schlecht, noch schlechter als dies sonst im Gazastreifen ohnehin der Fall ist. "Die Leute kommen zum Schauen, nicht zum Kaufen", klagt al-Helo.
Aber selbst wenn seine Kunden Geld für seine Spezialitäten hätten, besonders groß ist seine Auswahl nicht. Die Grenzen sind dicht und der Warenverkehr ist fast lahmgelegt.
Die 1,5 Millionen Menschen im Gazastreifen sind harte Zeiten gewohnt. Seit 40 Jahren ist das Leben geprägt von der hohen Arbeitslosigkeit und den von Israel kontrollierten Grenzen. Die Machtübernahme durch die Hamas im August hat die Situation weiter verschlechtert. Ein Embargo westlicher Staaten bedeutet für die Menschen Verzicht. Nicht auf Luxusgüter, sondern auf Dinge des täglichen Lebens. Immer mehr Bewohner des Gebietes, das etwa so groß ist wie München, sind auf Nahrungslieferungen der Vereinten Nationen angewiesen. Aus dem Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit, Geldmangel und lahmender Wirtschaft scheint es kein Entkommen zu geben.
Im Westjordanland scheinen solche Probleme der Vergangenheit anzugehören. Kaum hundert Kilometer von Gaza entfernt in Ramallah, der Hauptstadt der Palästinenser-Gebiete, freuen sich die Ladenbesitzer über gut gehende Geschäfte. Dank westlicher Unterstützung für Präsident Mahmud Abbas kann die Autonomiebehörde seit langem ausstehende Gehälter ausbezahlen. Doch nur an die Anhänger der Fatah. "Warum hast Du mich nicht besucht, als die Gehälter nicht bezahlt wurden, da hätten wir uns länger unterhalten können", sagt der Händler Abu Ahmad. Seine Geschäfte würden gut laufen, vor allem während der Zeit des Ramadan. Die Menschen im Westjordanland freuen sich auf die ausschweifenden Mahlzeiten, während in Gaza bei den meisten Schmalhans Küchenmeister ist und nur Mandeln und Pinienkerne auf der Speisekarte stehen.
Neben den wirtschaftlichen Auswirkungen spüren die Palästinenser noch etwas ganz Anderes. "Es geht ein Riss durch die Gesellschaft", sagt der Politikexperte Hani Habib. Die Anhänger von Fatah und Hamas bekämpfen sich sogar innerhalb der Familien. Doch den Menschen im Gazastreifen geht es mittlerweile nicht mehr um politische Inhalte. Die Frage nach dem eigenen Staat und der beste Weg dorthin rückt immer mehr in den Hintergrund. Die alltäglichen Sorgen sind zu groß. Wird Israel morgen den Strom abstellen? Wann wird wieder Bürgerkrieg ausbrechen? Besteht überhaupt noch Hoffnung für den kleinen Fleck am Mittelmeer? Einer der Bürger Gazas beantwortet diese Frage mit einem Blick in die Vergangenheit: "Die Situation hier war schon immer schlecht." Viele denken, dass sie es auch bleiben wird.
Nidal al-Mughrabi, Reuters
Quelle: ntv.de